| Ev Tebroke |
| 06.06.2025 17:12 Uhr |
Prävention und Gesundheitsmanagement sind keine rein weiblichen Aufgaben. / © Adobe Stock/Pixel-Shot
Gleichberechtigung in der Gesellschaft: In vielen Bereichen klappt es, in anderen nicht. Einer davon ist der Gesundheitsbereich. So sind Gesundheitskompetenz und Care-Themen hierzulande nach wie vor überwiegend weiblich konnotiert. Hier ist das traditionelle Geschlechterklischee noch sehr präsent, das Frauen die Rolle der Fürsorgenden, sich Kümmerenden zuschreibt.
Es sind vor allem Frauen, die in Pflegeberufen, Arztpraxen und Apotheken arbeiten. In den Familien sind sie diejenigen, die die Gesundheitsbelange managen, die an Impf- und Vorsorgetermine für die Kinder denken, sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern. Doch Prävention und Gesundheitsmanagement sind keine rein weiblichen Aufgaben. Wie es gelingen kann, Gesundheitskompetenz insgesamt zu stärken und geschlechterspezifische Bedürfnisse dabei besser zu berücksichtigen, das war Thema einer Veranstaltung des AOK-Bundesverbands heute in Berlin.
Um das Thema Gesundheit im Allgemeinen und die jeweils unterschiedlichen Befindlichkeiten von Mann und Frau mehr in den Fokus zu rücken, gelte es schon in den Schulen dafür zu sensibilisieren, betonte Anne Högemann, Vorständin des Vereins Ärztliche Gesellschaft zur Gesundheitsförderung. Es gehe darum, jungen Mädchen früh deutlich zu machen, dass sie mit ihren spezifischen Gesundheitsproblemen, wie beispielsweise Regelschmerzen oder hormonellen Stimmungsschwankungen, nicht allein sind, sondern dass es viele betrifft. Es sei gut, dass Themen wie Endometriose oder Wechseljahre langsam aus ihrer Tabuecke herauskämen. Aber man stehe noch am Anfang. Wichtig sei es auch, die Jungen mit einzubeziehen und mehr Gesundheitsaufklärung in den Schulen zu betreiben.
Nicoletta Wischnewski, Leiterin des Gesundheitsamtes Charlottenburg-Wilmersdorf, betonte ebenfalls, dass Gesundheitsthemen in den Schulen so früh wie möglich in den Klassen angesprochen werden sollten. Sie fordert Gesundheitsaufklärung als Schulfach. Es brauche endlich das Bewusstsein, wie sehr sich Prävention rechnet, etwa mit Blick auf ungewollte Teenager-Schwangerschaften.
Um geschlechterspezifische Probleme besser zu verstehen, braucht es vor allem auch mehr Daten, betonte Turu Stadler, Professorin für geschlechtersensible Präventionsforschung an der Charité - Universitätsmedizin Berlin mit Blick auf Gender-Health- und Gender-Data-Gap. Erst eine gute Datenlage ermögliche gezielte Intervention, dort, wo es wichtig ist. Den Ausführungen von Stadler zufolge wird in der Forschung noch zu wenig berücksichtigt, dass Frauen anders auf Medikamente reagieren als Männer. Auch leiden Frauen häufiger und anders unter bestimmten Gesundheitsproblemen, etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychischen Belastungen. Dies hat zur Folge, dass Frauen oft auch medizinisch schlechter behandelt würden.
»Es gibt viel nachzuholen«, bestätigte AOK-Bundesverband-Chefin Carola Reimann. Sie unterstrich das Engagement des AOK-Bundesverbands, der auf zahlreiche weibliche Vorstände in seinen Reihen blicken kann. »Viele Vorstände wollen eine gute Versorgung und beteiligen sich an Forschungsprojekten für eine bessere Datenlage und mehr Aufmerksamkeit für Frauengesundheit.«
Auch die Apotheken als erste Anlaufstellen spielten eine wichtige Rolle, wenn es darum gehe, Genderkompetenz zu fördern, Informationen zu transportierten und Prävention zu stärken, sagte Anke Rüdinger, Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) und ABDA-Vorstandsmitglied. 90 Prozent der Apothekenmitarbeitenden seien Frauen und es kämen überwiegend Frauen in die Apotheken um Rezepte für Angehörige einzulösen. Rüdinger verwies auf den gesamtgesellschaftlichen Wert eines genderspezifischen Bewusstseins. »Ich bin der Meinung, dass die Gesellschaft insgesamt sehr davon profitieren würde, wenn die Gender-Gaps verschwinden würden.«
Rüdinger sieht viel Potenzial bei den Apotheken. Das Vertrauensverhältnis zu Stammkunden könne man nutzen, um mehr Bewusstsein für Frauengesundheit zu schaffen. »Wir können Frauen ermutigen, sich ernst zu nehmen, sich um sich selbst zu kümmern.« Sie erlebe es immer wieder, dass Frau ihre Probleme als Befindlichkeitsstörungen kleinreden.
Medizinwissenschaftlerin Nicole Lauscher sieht auch die Medien in der Verantwortung. Es gelte, Frauenthemen aus der Schmuddelecke rauszuholen und Themen wie Scheidentrockenheit normal zu kommunizieren und zu besprechen, so die Geschäftsführerin von Isartal Health Media und Vita Health Media, ein Unternehmen des Wort & Bild Verlags. Social-Media-Kanäle wie Instagram und TikTok sieht sie als gute Plattformen um Jugendliche für die Gendermedizin und deren Fragestellungen zu informieren und Themen zu enttabuisieren.
Carola Reimann unterstrich abschließend, dass das Thema Frauengesundheit weiterhin massiv präsent sein müsse, damit sich was ändert. Es gelte, überregional und genereller über das Thema zu sprechen.
Rüdinger sieht aber auch schon viele positive Effekte: »Ich finde, wir haben schon viel erreicht.« Immer mehr Menschen setzten sich für das Thema ein, sagt sie, etwa mit Blick auf Initiativen wie Healthcare Frauen. »Wir können auch ein bisschen stolz auf uns sein.«