Frauen stärker gefährdet als Männer |
Annette Rößler |
11.05.2023 18:00 Uhr |
Das Risiko für einen Herzinfarkt steigt bei Frauen meist erst nach der Menopause an, dann aber stärker als bei Männern. / Foto: Getty Images/Johner Images
Zu einem Herzinfarkt kommt es, wenn sich eine atherosklerotische Plaque von der Gefäßwand löst und ein Herzkranzgefäß verstopft. Hierfür sind Frauen laut einer aktuellen Untersuchung stärker gefährdet als Männer desselben Alters. Die Studie, die von einer Gruppe um Dr. Sophie van Rosendael von der Universität Leiden in den Niederlanden durchgeführt wurde, ist im »European Heart Journal Cardiovascular Imaging« publiziert.
Frauen entwickeln zumeist erst in höherem Alter eine Atherosklerose als Männer, da sie im gebärfähigen Lebensabschnitt durch den hohen Estrogenspiegel weitgehend davor geschützt sind. Ob sie dann – bei Vorliegen einer Atherosklerose – aber dasselbe Risiko für einen Herzinfarkt haben wie Männer, wollten die Autoren der Studie herausfinden. Sie werteten zu diesem Zweck computertomografische Angiografieaufnahmen der Herzkranzgefäße (CCTA) von knapp 25.000 Personen aus, die in der CONFIRM-Datenbank gespeichert waren.
Da es bei der Atherosklerose auch Abstufungen gibt, differenzierten die Autoren die atherosklerotische Last anhand des Leiden CCTA Scores. Dieser beinhaltet Kategorien wie das Vorhandensein von Plaques, deren Zusammensetzung und Lokalisation sowie die Stärke der Gefäßverengung. Am Ende ergibt sich daraus ein Punktwert von 0 bis 42, wobei Werte zwischen 0 und 5 eine geringe atherosklerotische Last bedeuten, Werte zwischen 6 und 20 eine mittlere und Werte über 20 eine hohe. In der Studie war zudem eine obstruktive Erkrankung der Koronararterien definiert als eine Verengung um 50 Prozent oder mehr.
Insgesamt wurden 11.678 Frauen (Durchschnittsalter 58,5 Jahre) und 13.272 Männer (Durchschnittsalter 55,6 Jahre) 3,7 Jahre lang beobachtet. In diesem Zeitraum wurden schwere kardiovaskuläre Ereignisse (MACE) wie Tod oder Herzinfarkt erfasst. Diese Ergebnisse wurden an das Alter der Teilnehmer sowie an bekannte kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Rauchen und erhöhten Cholesterolwert adjustiert.
Wie nicht anders zu erwarten, setzte eine Atherosklerose bei Frauen deutlich später ein als bei Männern: Bei weiblichen Teilnehmern stieg der mediane Leiden CCTA Score erstmals im Alter zwischen 64 und 68 Jahren über 0; das war etwa zwölf Jahre später als bei männlichen Teilnehmern (52 bis 56 Jahre). Frauen hatten zudem insgesamt eine niedrigere Plaquelast und öfter eine nicht obstruktive Erkrankung.
Bei Frauen vor der Menopause sagte der Wert auf dem Leiden CCTA Score das MACE-Risiko ebenso gut voraus wie bei Männern. Nach der Menopause hatten Frauen aber bei ein und demselben Punktwert ein höheres Risiko für ein MACE als Männer. Eine mittlere atherosklerotische Last gemäß dem Score bedeutete für postmenopausale Frauen einen Anstieg des MACE-Risikos um den Faktor 2,2, eine hohe atherosklerotische Last um den Faktor 6,11, jeweils verglichen mit gleichaltrigen Frauen mit niedriger Last. Bei Männern ab einem Alter von 55 Jahren waren diese Unterschiede geringer: Eine mittlere atherosklerotische Last bedeutete verglichen mit einer niedrigen Last einen Risikoanstieg um das 1,57-Fache und eine hohe Last um das 2,25-Fache.
»Insbesondere Frauen mit den höchsten Werten auf dem Leiden CCTA Score hatten in dieser Studie ein deutlich höheres Risiko als Männer«, kommentiert Rosendael in einer Mitteilung der European Society of Cardiology. »Ein Grund hierfür könnte sein, dass der innere Durchmesser der Koronararterien bei Frauen kleiner ist, sodass dieselbe Menge an Plaque bei ihnen den Blutfluss stärker stört als bei Männern.«
Diese Erkenntnis könne für die Pharmakotherapie relevant sein, da die atherosklerotische Last zunehmend als Parameter für die Intensität einer Therapie herangezogen werde. »Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Frauen nach der Menopause höhere Statindosen benötigen oder die Hinzunahme von weiteren Lipidsenkern«, führt die Autorin aus. Weitere Studien seien allerdings erforderlich, um diese Resultate zu bestätigen.