Frauen leiden stärker unter Trennungen |
Jennifer Evans |
19.02.2024 07:00 Uhr |
Reiferen Frauen scheint es offenbar emotional schwerer zu fallen, mit Trennung umzugehen als gleichaltrigen Männern. / © Getty Images/Kobus Louw
Weil die Menschen immer älter werden, trennen sich einige ab einem Lebensalter von 50 Jahren auch noch einmal von ihrem Partner – insbesondere in Ländern mit hohem Einkommen. Die sogenannten grauen Scheidungen oder Trennungen setzen Frauen offenbar emotional stärker zu als Männern. Das legt eine Langzeituntersuchung im Zeitraum zwischen 1996 und 2018 nahe, an der knapp 230.000 Personen im Alter zwischen 50 und 70 Jahre teilnahmen. Erschienen ist die Studie vor Kurzem in der Fachzeitschrift »Journal of Epidemiology & Community Health«.
Den Zusammenhang ermittelte das Autorenteam anhand des Antidepressiva-Konsums der Teilnehmenden. Während sich dieser bei beiden Geschlechtern unmittelbar nach einer Scheidung, Trennung oder einem Trauerfall erhöhte, nahmen Frauen generell mehr dieser Medikamente ein als Männer. Sobald wieder ein neuer Partner im Spiel war, ging der Konsum stimmungsaufhellender Mittel bei beiden Geschlechtern zurück. Bei den Frauen war dieser Effekt allerdings nur von kurzer Dauer.
Die Wissenschaftler schlussfolgerten unter anderem, dass reife Frauen schlechter mit dem Ende einer Beziehung umgehen als gleichaltrige Männer. Denn es zeigte sich ebenfalls, dass die Herren nach einem Beziehungsende häufiger neue Partnerschaften eingingen als die Damen.
Während der Antidepressiva-Konsum bei den Männern im ersten Jahr nach einer Trennung wieder auf das Niveau sank, das er zwölf Monate vor dem Beziehungsende hatte, sah es bei den Frauen anders aus: Ihr Konsum ging zwar zunächst geringfügig zurück, aber nur vorübergehend. Ein Jahr nach der Trennung nahmen sie wieder genauso viele Stimmungsaufheller ein.
Die Wissenschaftler führen das unter anderem auf noch existierende geschlechtsspezifische Rollenmodelle zurück. Der Verlust des Partners bringt für Frauen eine strapaziöse Veränderung der Lebensumstände mit sich, womöglich sinkt ihr Haushaltseinkommen oder soziale Kontakte fallen weg. Im Laufe der Zeit könnten sich Belastungsfaktoren wie diese sogar noch aufsummieren, heißt es.
Selbst nachdem Frauen wieder neue Beziehungen eingingen, reduzierte sich ihr Antidepressiva-Konsum nur kurzzeitig. Schnell erreichte er wieder das Niveau vom Zeitpunkt vor der neuen Partnerschaft oder kletterte im Laufe von zwei Jahren teilweise sogar auf ein noch höheres Level.
Für das Autorenteam ist klar, dass es über die Ursachen dieser Beobachtungstudie nur mutmaßen kann. Dennoch versuchten die Wissenschaftler Zusammenhänge und Erklärungen zu finden. So könnte das geschlechterspezifische Rollenverständnis stärkere Folgen für die psychische Gesundheit von Frauen haben als für Männer. Auf der anderen Seite hätten Frauen meist bessere soziale Netzwerke, die wiederum einige Auswirkungen abfedern könnten.
Dass der Antidepressiva-Konsum bei Frauen auch während einer neuen Beziehung nicht dauerhaft abfalle, könne daran liegen, dass die Ehe der psychischen Gesundheit von Männern stärker zugutekomme und diese zudem in einer neuen Beziehung eher emotionale Unterstützung suchten als Frauen, heißt es. Nicht unerheblich ist vermutlich auch, dass Frauen sich in neuen Patchwork-Familien verantwortlicher für das Gelingen der zwischenmenschlichen Beziehungen fühlen als Männer, was aber ihre Psyche zusätzlich belasten könnte.