Fortschritte, Anwendungen, Perspektiven |
Laura Rudolph |
14.10.2024 14:45 Uhr |
Professor Dr. Theo Dingermann (rechts) sprach auf der Expopharm mit Marc Kriesten, Laura Isigkeit und Professor Dr. Hermann Wätzig (von links) über die Möglichkeiten von KI in der Pharmazie. / © Avoxa/Expopharm
»Dieses Jahr waren gleich zwei Nobelpreise eng mit KI verknüpft«, eröffnete Dingermann die Diskussionsrunde »KI in der Pharmazie – gekommen, um zu bleiben!« auf der Pharmaworld-Bühne. Dabei ist KI eigentlich keine neue »Erfindung«. Laura Isigkeit, Bioinformatikerin und Doktorandin im Arbeitskreis von Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, betonte, dass das Forschungsfeld der KI bereits seit den 1960er-Jahren existiert.
Der Durchbruch sei jedoch erst mit der heutigen Datenverfügbarkeit und Rechenleistung möglich geworden. »Jetzt haben wir eine gute Datengrundlage, und die Rechner sind fähig, diese Datenmengen zu verarbeiten«, erklärte Isigkeit.
Der Nobelpreis für Chemie wurde an drei Forscher für ihre Arbeiten in der Proteinforschung vergeben. Professor Dr. David Baker erhielt den Preis für die Entwicklung neuer Proteine durch computergestütztes Design. Dr. Demis Hassabis und Dr. John Jumper wurden für die Entwicklung der KI-Plattform »AlphaFold2« ausgezeichnet, die die Vorhersage der 3-D-Struktur von Proteinen ermöglicht. Den Nobelpreis für Physik erhielten Professor Dr. John J. Hopfield und Professor Dr. Geoffrey E. Hinton für ihre Pionierarbeit im Bereich des maschinellen Lernens mit neuronalen Netzen, die als Grundlage moderner KI-Anwendungen dienen.
Large Language Models (sprachbasierte KI) wie ChatGPT hätten sich in den vergangenen Jahren, insbesondere im letzten, enorm weiterentwickelt, hob Professor Dr. Hermann Wätzig von der Technischen Universität Braunschweig hervor. Gemeinsam mit seinem Doktoranden Yannick Wilke testete er ChatGPT auf seine Fähigkeiten, pharmazeutische Fragestellungen zu lösen.
»Fragen, die vor einem Jahr noch nicht beantwortet werden konnten, können jetzt mühelos beantwortet werden«, berichtete Wätzig. Mittlerweile würde ChatGPT das Erste Staatsexamen Pharmazie bestehen – samt komplexer stöchiometrischer Aufgaben.
»Die neue Version von ChatGPT hat die Leistungsfähigkeit eines überdurchschnittlichen Studierenden im Hauptstudium«, ordnete der Experte ein. Obwohl die KI weiterhin gezielt gelenkt werden müsse und die Ergebnisse stark vom richtigen Prompting abhingen, seien die Fortschritte beachtlich.
Zudem sei ChatGPT nicht mehr nur ein reines Sprachmodell, sondern habe durch zusätzliche Fähigkeiten wie das Abrufen aktueller Informationen über das Internet erheblich an Funktionalität gewonnen. Er selbst sei überrascht gewesen, wie schnell die KI Fortschritte gemacht habe. »Ich sehe für die nächsten Jahre weiteres Entwicklungspotenzial«, sagte Wätzig.
Auch im Bereich der öffentlichen Apotheke kann KI viele Prozesse unterstützen, beispielsweise die Warenwirtschaft optimieren oder die Online-Präsenz verbessern. Marc Kriesten, Inhaber der Glückauf-Apotheke in Dinslaken, setzt KI erfolgreich in der Kundenberatung ein.
Mit der »Iqonic« Hautanalyse bietet er einen Service an, bei dem ein KI-Tool Hautparameter wie Feuchtigkeits- und Fettgehalt, Faltenbildung, Porengröße oder biologisches Hautalter analysiert. Kunden positionieren sich vor einem Tablet, und die KI liefert Pflegeempfehlungen.
Auch eine Online-Analyse über ein Selfie ist möglich. Diese Technologie soll in Zukunft nicht nur kosmetische, sondern auch medizinische Anwendungen finden, berichtete Kriesten. Tatsächlich könne die KI bereits jetzt schon Hautkrankheiten erkennen, dürfe aber nicht für Diagnosen genutzt werden. »Das Angebot wird sehr gut angenommen«, berichtete der Apotheker, insbesondere nach einem Bericht im WDR-Fernsehen.
Die Einbindung von KI in die Pharmazie zeigt großes Potenzial, sowohl in der Forschung als auch in der täglichen Apothekenpraxis, lautete das Fazit der Diskussionsrunde. Von der Proteinforschung über die pharmazeutische Ausbildung bis hin zur Kundenberatung: KI ist gekommen, um zu bleiben – und wird in den kommenden Jahren aller Voraussicht nach noch deutlich »intelligenter« werden.