Forschungsstandort Deutschland im Blick |
Der Wirtschafts- und Forschungsstandort Deutschland zählt international zur Gruppe der »starken Innovatoren«. / © Getty Images/Coolpicture
Ende November 2024 hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zusammen mit der Hochschulrektoren-Konferenz (HRK) und dem Stifterverband (SV) den »Förderatlas 2024« vorgestellt. Dieses umfassendste Zahlenwerk zur öffentlichen Finanzierung der Forschung in Deutschland wird seit 1997 alle drei Jahre von der DFG herausgegeben. Der Berichtszeitraum der jetzt erschienenen Ausgabe umfasst dabei die Jahre 2020 bis 2022.
Die DFG mit Sitz in Bonn ist die Selbstverwaltungsorganisation der Wissenschaft in Deutschland. Sie finanziert Forschungsvorhaben, entwirft Wettbewerbsräume und führt Verfahren zur Begutachtung, Bewertung, Auswahl und Entscheidung von Forschungsanträgen durch. Für die Erfüllung ihrer Aufgaben standen der DFG 2023 über 3,9 Milliarden Euro zur Verfügung, die sie ganz überwiegend von Bund (69,7 Prozent) und Ländern (29,4 Prozent) bekam.
Was die FuE-Ausgaben im Jahr 2021 und deren Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) für ausgewählte Länder und Regionen betrifft, so liegen die USA, China und Japan nach wie vor an der Spitze. Deutschland erreichte bei den absoluten Ausgaben Rang 4 (siehe Abbildung).
FuE-Ausgaben von Deutschland 2021 im internationalen Vergleich. / © Datenbasis und Quelle: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): Main Science and Technology Indicators. OECD Science, Technology and R&D Statistics. Berechnungen der DFG.
Als – gemessen am BIP – wirtschaftsstärkstes Land der Europäischen Union weist Deutschland für das Jahr 2021 nominal mit 161,2 Milliarden US-Dollar die höchsten FuE-Ausgaben in der EU auf. Damit ist Deutschland knapp ein Drittel der gesamten FuE-Ausgaben der EU-27 in Höhe von 498,2 Milliarden US-Dollar (OECD, 2023) zuzuordnen. Es folgen Frankreich mit 80,9 Milliarden US-Dollar und Italien mit 42,1 Milliarden US-Dollar. Auf diese drei Länder entfallen damit rund 57 Prozent der FuE-Ausgaben in der Europäischen Union.
Betrachtet man die relativen Anteile der FuE-Ausgaben am BIP so liegen Israel und Südkorea mit knapp 6 beziehungsweise 5 Prozent an der Spitze. Aber auch Taiwan, die USA und Japan haben mit FuE-Ausgaben über 3 Prozent des BIP den Zielwert für die EU (Lissabon-Abkommen) erreicht. Ebenso Schweden, Belgien, die Schweiz (als Nicht-EU-Land), Österreich und Deutschland.
Bedeutende internationale Wirtschafts- und Innovationsparameter korrelieren direkt mit der Höhe der Aufwendungen für Forschung und Entwicklung: Der Global Innovation Index für das Jahr 2021 listet Deutschland im weltweiten Vergleich von 132 Staaten auf Basis von 80 Indikatoren auf Rang 10. Bei den Patentanmeldungen beim Europäischen Patentamt EPA nahm Deutschland 2021 mit einem Anteil von 14 Prozent an allen Patentanmeldungen erneut den zweiten Platz hinter den USA (25 Prozent) ein, gefolgt von Japan (11 Prozent), China (9 Prozent) und Frankreich (6 Prozent).
Im European Innovation Scoreboard gehört Deutschland im Jahr 2021 zur Gruppe der »starken Innovatoren«. Unter den Top 50 der am meisten in FuE investierenden Unternehmen weltweit sind im Jahr 2021 acht deutsche Unternehmen zu finden. Deutschland zählt beim Export von forschungsintensiven Waren mit einem Anteil von 10 Prozent (2021) am Welthandelsvolumen zu den Spitzenreitern und liegt damit noch vor den USA (9,6 Prozent). China ist mit 18,7 Prozent Anteil aber unangefochten der größte Exporteur forschungsintensiver Waren.
Wichtiges und sichtbares Instrument, um Forschungsergebnisse vorzustellen, sind wissenschaftliche Veröffentlichungen. Die absolute Anzahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen pro eine Million Einwohnerinnen und Einwohner ist in Deutschland in den vergangenen Jahren konstant gestiegen (2020: 1.639 wissenschaftliche Veröffentlichungen, 2021: 1.767). Im internationalen Vergleich liegt Deutschland weiterhin deutlich über dem EU-Durchschnitt (2021: 1.400). Hinzuweisen ist aber auf die starken Aufholbewegungen der aufstrebenden Schwellenländer, insbesondere Chinas (2020: 399 und 2021: 445).
Auch bei den Indikatoren zur Sichtbarkeit auf Basis von Zitierungen liegt Deutschland in dieser Hinsicht weit über dem Durchschnitt.
Die Regierungen von Bund und Ländern haben im Dezember 2022 bekräftigt, dass sie sich gemeinsam mit der Wirtschaft dafür einsetzen werden, bis 2025 die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu steigern. Ende 2024 wird deutlich, dieses Ziel wird verfehlt.
Vor dem Hintergrund der vielen aktuellen Krisen, insbesondere des Ukraine-Krieges, bleibt das 3,5 Prozent-Ziel mehr als ambitioniert und erfordert in den nächsten Jahren ungeachtet widriger Rahmenbedingungen ein starkes gemeinsames Engagement von Staat und Wirtschaft bei der FuE-Förderung.
Die aufgeführten Zahlen belegen zweifelsfrei die aktuelle Stärke und besondere Bedeutung des Wirtschafts- und Forschungsstandortes Deutschland. Grund für entspanntes Zurücklehnen gibt es allerdings nicht. Sollte Deutschland seine Anstrengungen in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Translation nicht intensivieren, dann droht nicht nur ein Verlust der Wettbewerbsfähigkeit, vielmehr würde sich in den kommenden Jahren auch ein Wohlstandsverlust mit unabsehbaren gesellschaftlichen Folgen einstellen.
Ein Grundproblem hierzulande besteht zudem weiterhin darin, dass die Translation der exzellenten Forschungsergebnisse in wirtschaftliche Anwendungen und Produkte nach wie vor zu wünschen übriglässt. Publizieren und Patentieren müssen als gleichwertige und untrennbare Säulen von Forschung und Entwicklung verstanden werden.