Fixumfrust oder Chancenort Apotheke? |
Alexander Müller |
10.10.2025 22:20 Uhr |
Beim Treuhand Dialog stellte Generalbevollmächtigter Sebastian Schwintek aktuelle Zahlen zu Betriebsergebnissen & Co. vor. / © Foto: Treuhand Hannover
Der Treuhand-Generalbevollmächtigte Sebastian Schwintek erwartet für das laufende Jahr einen Umsatzdurchschnitt von knapp vier Millionen, hinter dem aber auch Hochpreiser und weitere Apothekenschließungen stehen. Stabil war im ersten Halbjahr der Rohgewinn von 3,3 Prozent, problematisch aber der Anstieg der Betriebskosten auf 4,2 Prozent.
Aufschlussreich ist Schwinteks Drittelbetrachtung: Während das untere Drittel mit Betriebsergebnissen von 10.000 Euro im Grunde nicht überlebensfähig ist und die Betriebskosten fast 20 Prozent des Umsatzes ausmachen, sind es im oberen Drittel nur 13,8 Prozent. Insgesamt erwartet die Treuhand einen Seitwärtstrend bei den Betriebsergebnissen und nur noch etwas über 16.500 Apotheken am Jahresende.
Neben dem wachsenden Versandhandel drohen zudem neue Herausforderer wie die Drogeriekette dm, die in den OTC-Versand einsteigen will. Auch das Tarfigeschehen und die Entwicklung des Mindestlohns könnten die Apotheke im neuen Jahr mit durchschnittlich 9500 Euro belasten, rechnete Schwintek vor.
© Grafik: Treuhand Hannover
Umso enttäuschender ist für ihn, dass die Reformeckpunkte von Gesundheitsministerin Nina Warken keine Honorarerhöhung enthalten. Die Umverteilung zugunsten des Notdienstfonds brächten nur eine kleine Entlastung, auch der Effekt der geplanten Skonto-Freigabe ist laut Schwintek noch schwer zu beziffern.
Großes Patientenpotenzial und eine Aufwertung des Heilberufs sieht Schwintek in neuen Dienstleistungen, vor allem der geplanten Ausweitung des Impfangebots in Apotheken. Allerdings seien die Deckungsbeiträge gering – und die Mehreinnahmen könnten die ausgebliebene Honorarsteigerung auch nicht kompensieren.
Doch die anschließende Paneldiskussion mit Jutta Degenhardt und Ute Cordes von der Treuhand sowie Apothekerin Sabine Joussen und ihren Kollegen Lars Ruwisch und Rouven Steeb zeigte, welch positiven Effekt das Impfen haben kann – auf die Stimmung im Team und das Verhältnis zu den Kundinnen und Kunden.
Zwar bemängelten auch die drei Inhaber, dass es ohne die Honoraranpassung schwer werde, aber über eigene Angebote könnten sich die Apotheken auch unabhängiger vom Rx-Geschäft machen. Dabei spielen auch die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) eine Rolle. Mit optimierten Prozessen, etwas Routine und technischer Unterstützung ließen sich diese auch wirtschaftlich lukrativ erbringen, so der Tenor der Runde.
Um praktische Tipps ging es auch in den vier Impulsvorträgen zu Beginn des Treuhand Dialogs. Den Anfang machte Apotheker Marc Kriesten – natürlich zum Thema Künstliche Intelligenz (KI). Die Apothekenteams benötigten beides – neues Denken, aber auch »konkrete Tools«, vor allem in der Warenwirtschaft, so Kriesten. In seinen Apotheken spare das Team 80 Prozent der Zeit bei der Dokumentation und immerhin 60 Prozent bei der Marketingstrategie. Kriesten ist mittlerweile mit seiner eigenen KI-Akademie für Apotheken live.
Guido Michels von der Treuhand wünscht sich von den Apothekenteams wieder eine stärkere Fokussierung auf die Kundinnen und Kunden. Wenn Kreditkartenzahlungen abgelehnt würden, die Apotheke Mittwochsnachmittags schließe und weniger Zeitschriften vorhalte, stehe der Kunde nicht im Mittelpunkt. Das gelte auch in die andere Richtung: 43 Prozent würden einen Zusatzkauf tätigen, zitierte Michels ein Umfrageergebnis.
Sven Derlien von der Treuhand hob die Bedeutung guter Prozesse hervor – einfach, sinnhaft und zum gewünschten Ergebnis führend. »Prozesse helfen, den stressigen Alltag entspannt zu meistern, vor allem in heiklen Situationen«, versprach Derlien.
Anke Kunigkeit von der Treuhand stellte das »Innere Team« nach dem Modell von F. Schulz von Thun vor. Dabei werden mögliche Zweifel an Veränderungen ernst genommen und im inneren Dialog etwa von der »Sicherheitsbeauftragte« vorgetragen, während die »Visionärin« für die Ideen eintritt. »Unterschiedliche Anteile zu kennen, erleichtert es, die Positionen im Team zu verstehen und anzunehmen«, so Kunigkeit. »Widerstände können verstanden und Veränderungen stimmig gestaltet werden.«