Finerenon schützt Nieren und Herz |
Brigitte M. Gensthaler |
11.11.2022 07:00 Uhr |
Die am häufigsten gemeldete Nebenwirkung unter Finerenon war Hyperkaliämie (18,3 Prozent in der Fidelio-DKD-Studie). Weitere häufige Nebenwirkungen sind Hyponatriämie, Hypotonie, Juckreiz und Verlust der Nierenfunktion. Gelegentlich kann auch der Hämoglobinwert abfallen.
Das Medikament darf nicht bei Patienten mit Morbus Addison angewendet werden. Kontraindiziert ist zudem die gleichzeitige Anwendung mit starken CYP3A4-Inhibitoren. Der Grund: Finerenon wird zu etwa 90 Prozent durch CYP3A4 und zu 10 Prozent durch CYP2C8 verstoffwechselt. Alle vier Hauptmetaboliten sind pharmakologisch inaktiv.
Aus pharmakokinetischen Gründen sollte Finerenon nicht gleichzeitig mit Rifampicin und anderen starken CYP3A4-Induktoren wie Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital und Johanniskraut oder mit Efavirenz und anderen moderaten CYP3A4-Induktoren angewendet werden. Die Induktoren senken voraussichtlich die Plasmakonzentration von Finerenon beträchtlich, was die therapeutische Wirkung abschwächt.
Ebenfalls nicht empfohlen wird die Kombination mit kaliumsparenden Diuretika wie Amilorid und Triamteren und anderen Mineralocorticoid-Rezeptorantagonisten wie Eplerenon, Spironolacton und Canrenon, da das Hyperkaliämie-Risiko steigen könnte.
Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung mit Finerenon zuverlässig verhüten. Es gibt keine Erfahrungen mit der Anwendung bei Schwangeren, allerdings haben tierexperimentelle Studien eine Reproduktionstoxizität gezeigt. Ebenfalls aus Tierstudien ist bekannt, dass Finerenon und seine Metaboliten in die Muttermilch übergehen.
Die chronische Nierenerkrankung (CKD) ist eine der häufigsten Komplikationen bei Typ-II-Diabetes und weltweit mit einer hohen Krankheitslast verbunden. Es sind verschiedene Pathomechanismen der Nierenschädigung bekannt. Neben Stoffwechselfaktoren und hämodynamischen Faktoren sind es auch entzündliche und fibrotische Faktoren, die eine Rolle spielen. Heute weiß man, dass durch Blockade einer Überaktivierung des Mineralocorticoid-Rezeptors unerwünschte über inflammatorische und fibrotische Signalwege vermittelte renale und kardiovaskuläre Ereignisse verhindert werden können.
Bisher hat man dieses Wissen aber noch nicht in der Therapie der CKD bei Typ-II-Diabetes ausnutzen können. Das liegt daran, dass die altbekannten steroidalen Antagonisten am Aldosteron-Rezeptor hier zu wenig untersucht sind und ihr hohes Hyperkaliämie-Risiko eine wichtige Therapielimitation darstellt. Mit Finerenon kommt in Deutschland nun der erste nicht-steroidale Rezeptorantagonist auf den Markt. Es weist nicht nur strukturell Unterschiede zu Eplerenon und Spironolacton auf. Besonders wichtig ist, dass andere Bindeverhalten am Rezeptor, sodass der Neuling die Genexpression im Vergleich zu den steroidalen Rezeptorantagonisten anders moduliert und damit entzündungsfördernde und fibrotische Prozesse reduziert. Hinzu kommen eine andere Verteilung im Körper sowie Unterschiede in der Selektivität und Affinität zum Rezeptor.
Pharmazeutisch betrachtet ist der erste nicht steroidale Mineralocorticoid-Rezeptor als Sprunginnovation zu werten. Auch die bisherigen Studiendaten rechtfertigen diese Einstufung. Ein bedeutender kardiorenaler Nutzen wurde nachgewiesen. Auch unter Finerenon kann es zur Hyperkaliämie kommen, aber das Risiko dafür ist im Vergleich zu den alten Substanzen deutlich verringert.
Bislang darf Finerenon im CKD-Stadium 3 und 4 zum Einsatz kommen. Wenn der Arzneistoff schon in früheren Stadien zugelassen wäre, könnten noch mehr Patienten profitieren. Denn CKD ist ein typisches Beispiel für eine Erkrankung, bei der es darum geht, möglichst früh zu handeln, um das Schicksal der Patienten zu verbessern.
Sven Siebenand, Chefredakteur