Fett weg – aber nicht die Muskeln |
Annette Rößler |
15.03.2024 16:30 Uhr |
Zwischen 2005 und 2007 testete die Firma Wyeth den Anti-Myostatin-Antikörper Stamulumab (MYO-029) in Phase-I- und -II-Studien bei Patienten mit Muskeldystrophie, brach die Entwicklung aber nach enttäuschenden Ergebnissen 2008 ab. Aktuell führt die Firma Biohaven eine Phase-III-Studie mit dem rekombinanten Protein Taldefgrobep alfa durch, das die Myostatin-vermittelte Signalgebung blockiert. Teilnehmende dieser Studie sind Patienten mit spinaler Muskelatrophie (SMA). Ebenfalls bei SMA erschienen gerade positive Phase-II-Daten zu dem Anti-Myostatin-Antikörper Apitegromab der Firma Scholar-Rock im Fachjournal »Neurology«. Bei Duchenne-Muskeldystrophie war das Studienprogramm mit Taldefgrobep alfa allerdings schon 2019 eingestellt worden, nachdem in einer Phase-II/III-Studie der Wirksamkeitsnachweis verfehlt wurde.
Regeneron will jetzt einen neuen Anlauf unternehmen – und setzt dabei auch auf eine doppelte Blockade von Myostatin und dem nachgeschalteten Activin A: Die Firma plant für Mitte des Jahres 2024 den Beginn einer Phase-II-Studie, in der der Anti-Myostatin-Antikörper Trevogrumab allein oder zusammen mit dem Anti-Activin-A-Antikörper Garetosmab mit dem GLP-1-RA Semaglutid kombiniert werden soll. In der Studie soll untersucht werden, ob adipöse Patienten mit der Kombination noch mehr abnehmen als mit Semaglutid allein, wie sich ihre Körperzusammensetzung dabei verändert und ob das reduzierte Gewicht nach dem Absetzen von Semaglutid unter Trevogrumab beziehungsweise Trevogrumab/Garetosmab womöglich besser gehalten werden kann.
Im Alter werden Muskeln immer weiter abgebaut. Werden Senioren, beispielsweise infolge eines Sturzes, bettlägerig, kommen sie danach oft nur schwer wieder auf die Beine. / Foto: Adobe Stock/Louis-Photo
Dass Menschen Muskelmasse verlieren, wenn sie älter werden, ist beklagenswert, aber unabwendbar. Beginnend mit dem 30. Geburtstag werden es pro Lebensdekade durchschnittlich 3 bis 8 Prozent weniger und der Abbau beschleunigt sich ab einem Alter von 60 Jahren noch. An diesem Prozess beteiligt ist unter anderem das Gewebshormon Angiotensin II (Ang-II), das auch als wichtiger Akteur der Blutdruckregulation über das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) bekannt ist.
Ang-II wird vom Angiotensin Converting Enzyme 2 (ACE2) zu Angiotensin (1-7) abgebaut. Letzteres ist ein Heptapeptid (daher der Name) und der funktionelle Gegenspieler von Ang-II; es hat vasodilatatorische und antientzündliche Effekte. An Muskelzellen wirkt es dem Ang-II-vermittelten Abbau entgegen.
Angiotensin (1-7) vermittelt seine Wirkung über den Mitochondrial-Assembly-(MAS-)Rezeptor. Einen oral bioverfügbaren Agonisten am MAS-Rezeptor hat die Firma Biophytis entwickelt: Ruvembri (BIO101). Es handelt sich um das Pflanzensteroid Ecdysteron (20-Hydroxyecdyson), das an isolierten Muskelzellen in vitro und im Mausmodell anabol wirkt. Wie Biophytis-CEO Stanislas Veillet »Nature« mitteilte, habe Ruvembri einen »klaren Effekt« sowohl auf die Skelett- als auch auf die Atemmuskulatur, weshalb der Wirkstoff in der Coronapandemie auch bei Covid-19-Patienten getestet wurde.
Ergebnisse der entsprechenden Phase-II/III-Studie wurden auf der Website Clinicaltrials.gov jedoch bislang ebensowenig gepostet wie solche einer Phase-II-Studie, in der Ruvembri bei älteren Menschen zur Verhinderung von altersbedingter Sarkopenie gegen Placebo getestet wurde. Letztere Studie ist laut Clinicaltrials.gov abgeschlossen, aber der letzte Eintrag stammt aus dem Juli 2021. Das lässt vermuten, dass die Ergebnisse den Erwartungen wohl eher nicht entsprachen.
Dem »Nature«-Artikel zufolge sind zur Verhinderung des Muskelabbaus noch weitere Ansätze in der Erprobung; mindestens zehn Substanzen würden entwickelt, die außer den hier vorgestellten auch andere Angriffspunkte adressieren. Ein alter Bekannter ist darunter: Metformin. Das orale Antidiabetikum wurde in einer kürzlich abgeschlossenen, placebokontrollierten Phase-II-Studie zur Verhinderung von Gebrechlichkeit bei älteren Menschen getestet. Als Rationale hinter der Studie wird auf Clinicaltrials.gov angegeben, dass Diabetes beziehungsweise Insulinresistenz und Entzündung entscheidend zur Entwicklung von Gebrechlichkeit beitrügen. Studiensponsor ist die University of Texas. Ergebnisse stehen allerdings auch hier noch aus.