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Aufregerthema

Faktencheck: mRNA-Impfstoffe mit DNA verunreinigt?

Aktuell sorgen vermehrt Behauptungen für Verunsicherung, die mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 seien stark mit DNA verunreinigt. Was hat es damit auf sich? Und könnte die DNA bei Geimpften Schaden anrichten?
AutorKontaktTheo Dingermann
Datum 14.12.2023  18:00 Uhr

Als eine Gruppe namens »Medizinischer Behandlungsverbund« kürzlich Arztpraxen anschrieb und sie aufforderte, wegen angeblicher Haftungsrisiken keine mRNA-Impfstoffe mehr zu verwenden, begründete sie dies mit »DNA-Kontaminationen« der Impfstoffe, die 18- bis 70-mal über den zulässigen Grenzwerten lägen. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) stellte daraufhin klar: »Das Schreiben ebenso wie die dort abgeleiteten Schlussfolgerungen sind falsch.« In den Spezifikationen der mRNA-Impfstoffe, die die Hersteller vor der Freigabe jeder Charge einhalten müssen, sei auch ein Grenzwert für den »Rest-DNA-Gehalt« definiert, der nicht überschritten werden darf.

Die Debatte um Rest-DNA in den mRNA-Impfstoffen wird in impfskeptischen Kreisen schon seit einer Weile geführt. Diskutiert werden vor allem mögliche Auswirkungen einer Änderung des Herstellungsverfahrens des Biontech/Pfizer-Impfstoffs Comirnaty® vor der Markteinführung; sie sind teilweise sogar Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten.

Umstellung des Herstellungsprozesses von Comirnaty

Hintergrund ist, dass in der frühen Entwicklungsphase von Comirnaty zwei verschiedene Herstellungsprozesse verwendet wurden. Der Impfstoff für die klinischen Prüfungen wurde nach den Vorschriften des »Prozess 1« hergestellt, während die kommerziellen Chargen nach den Vorschriften des »Prozess 2« hergestellt wurden. Es kursieren Behauptungen, dass der Prozess-1-Impfstoff dem Prozess-2-Comirnaty qualitativ überlegen gewesen sein soll, sodass der breiten Bevölkerung ein suboptimaler Impfstoff zur Verfügung gestellt worden sei.

Unter anderem hierauf stützt sich auch eine Schadenersatzklage des Düsseldorfer Anwalts Marco Rogert, der nach eigenen Angaben mittlerweile fast 2700 Impfgeschädigte vertritt. Er behauptet, dass die nach den beiden verschiedenen Prozessen hergestellten Impfstoffe erhebliche Unterschiede aufwiesen. So  enthielten Prozess-2-Chargen Milliarden von DNA-Molekülen pro Dosis. Diese Zahl stammt von dem Arzt Dr. Phillip Buckhaults, der kürzlich vor dem Ad-hoc-Ausschuss für medizinische Angelegenheiten des Senats von South Carolina mehr als 30 Minuten lang zum Thema DNA-Verunreinigungen in mRNA-Impfdosen aussagte. Millionen Menschen seien mit diesen Impfstoffchargen behandelt worden, so Rogert.

Es ist allerdings falsch zu behaupten, dass im Prozess 1 keine DNA für die Herstellung der mRNA benötigt wird. DNA dient in beiden Prozessen als Vorlage für die enzymatische In-vitro-Herstellung der mRNA. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Prozessen liegt in der Herkunft der DNA: Im Prozess 1 wird diese zellfrei in einem Reagenzglas durch eine Polymerasekettenreaktion (PCR) hergestellt; im Prozess 2 wird sie als Plasmid-DNA aus Bakterien gewonnen. Somit besteht bei beiden Prozessen zumindest ein theoretisches Restrisiko für eine prozessbedingte Verunreinigung des Endprodukts mit DNA.

Preprint mit groben methodischen Mängeln

Befeuert wurde die Debatte über mögliche Rest-DNA-Mengen in Impfstoffchargen, die angeblich die Spezifikationsgrenzen stark überschreiten, hauptsächlich von einem Preprint, der noch kein Peer-Review-Verfahren durchlaufen hat und noch nicht in einem anerkannten wissenschaftlichen Journal veröffentlicht wurde. Die Autoren dieser Arbeit sind Mitarbeiter des Unternehmens »Medical Genomics«, das nach eigener Darstellung die Genomik nutzt, um den Ertrag, die Sicherheit und die Qualität von Heilpflanzen zu verbessern. Außerdem vertreibt das Unternehmen einige der in dieser Studie verwendeten Kits zur DNA-Isolierung und quantitativen PCR, wie die Autoren offenlegen.

Dieser Beitrag wird offensichtlich sehr kontrovers diskutiert. Während einige Kommentatoren ihre Befürchtungen bestätigt sehen, reagieren andere sehr skeptisch. Ein Hauptkritikpunkt an dem Manuskript ist die »unbekannte Herkunft« der Testproben. Die Autoren erklären dazu, dass sie die Fläschchen »anonym und ohne Kühlpacks« per Post erhalten hätten, diese aber »ungeöffnet« gewesen seien.

Hinsichtlich der Quantifizierung von Rest-DNA ist dies ein kritischer Schwachpunkt. Denn die DNA-Konzentration wird relativ zur parallel bestimmten RNA-Konzentration angegeben (ng DNA/mg RNA). Da RNA wesentlich labiler ist als DNA, steigt in einem unsachgemäß behandelten Impfstoff die scheinbare DNA-Verunreinigung mit der Degradation der RNA.

Sollten die in der Studie untersuchten mRNA-Impfstoffe also unsachgemäß gelagert und transportiert worden sein, würde das eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Impfstoffe, bei deren Handhabung alle Vorgaben eingehalten wurden, von vorneherein ausschließen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Arbeit noch nicht seriös publiziert wurde. Dasselbe gilt für die Analysen aus einem Privatlabor von Professorin Dr. Brigitte König in Magdeburg, in denen ebenfalls DNA-Verunreinigungen nachgewiesen worden sein sollen.

Darüber berichtete unter anderem das Magazin »mdr-Umschau« am 12. Dezember in einem Beitrag mit dem Titel »Corona-Impfstoff in der Kritik: Was ist dran?« Darin wird der Molekularbiologe Dr. Emanuel Wyler vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin wie folgt zitiert: »DNA in Impfstoffen ist kein neues Thema und wird beispielsweise bei einem Grippeimpfstoff auch getestet. Das hat bisher niemanden interessiert beziehungsweise man vertraut richtigerweise darauf, dass das Paul-Ehrlich-Institut als zuständige Behörde die Prüfarbeit korrekt erledigt. Meines Erachtens zeigt das, dass es hier nicht um DNA in Impfstoffen geht. Sondern entweder, Impfungen, unsere beste Waffe gegen Infektionskrankheiten, grundsätzlich in Zweifel zu ziehen, oder Stimmung zu machen mit dem Thema Corona.«

DNA wird zerkleinert und abfiltriert

Viele Menschen stellen sich jedoch die Frage, ob in den Impfstoffen enthaltene Rest-DNA biologische Konsequenzen haben kann. Der »Medizinische Behandlungsverbund« suggeriert dies, indem er in seinem Schreiben an die Arztpraxen davor warnt, dass »therapeutische Transgene« in das menschliche Genom integriert werden könnten, was zu dauerhaften Veränderungen führe. Das sei möglich, weil die DNA in der Nanolipid-Verpackung mit in die Zelle transportiert werde.

Von außen zugeführte DNA kann in seltenen Fällen tatsächlich in das Genom einer Zelle integriert werden. Daher müssen Maßnahmen ergriffen werden, um das sehr geringe Restrisiko einer Verunreinigung einer Impfdosis mit Rest-DNA weiter zu minimieren. Dem wird durch einen Schritt zur enzymatischen Degradation von Rest-DNA-Fragmenten während des Herstellungsprozesses Rechnung getragen.

Denn DNA kann nur dann ins Genom integriert werden, wenn sie eine bestimmte Mindestgröße hat. Durch den Einsatz von DNase I während des Aufreinigungsverfahrens der mRNA wird die Größe der linearen DNA-Matrize so stark reduziert, dass der Großteil davon im Rahmen des Reinigungsprozesses durch Ultrafiltration/Diafiltration entfernt wird.

Das Vorhandensein großer DNA-Fragmente, die sich von der verwendeten Plasmid-DNA ableiten, wird für jede Produktcharge durch eine PCR-Analyse quantitativ bestimmt. Der Grenzwert beträgt 10 ng DNA pro Impfdosis. Für den Biontech/Pfizer-Impfstoff, der 30 µg RNA pro Dosis enthält, entspricht dies einem maximalen Gehalt von 330 ng DNA pro mg RNA.

Daten für Comirnaty-Chargen sind im entsprechenden Rapporteur-Bericht der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) in Tabelle S.4.5-9 zu finden. Dort sind folgende Werte für Produkte dokumentiert, die nach dem gängigen Prozess 2 hergestellt wurden: 17, 29, 10, 23, 211 ng DNA/mg RNA. In derselben Tabelle sind auch die Rest-DNA-Mengen aus vier Chargen aufgelistet, die aus einem Prozess-1-Herstellungsverfahren stammen. Hier findet man folgende relative DNA-Mengen: 100, < 200, 3, 1 ng DNA/mg RNA.

Integration ins Genom extrem unwahrscheinlich

Diese Daten belegen, dass in Chargen beider Herstellungsverfahren prozessbedingte Rest-DNA-Mengen vorhanden sind. Doch kann diese in genomische DNA integriert werden? Dies wäre prinzipiell nur während eines Replikationsvorgangs im Rahmen einer Zellteilung möglich.

Die Zellen der Muskulatur, in die der Impfstoff eingebracht wird, sind aber größtenteils postmitotisch, das heißt sie teilen sich nach ihrer Ausdifferenzierung nicht mehr. Hierauf weist Professor Dr. Michael J. Imperiale vom Department of Microbiology and Immunology an der University of Michigan in einem Kommentar auf der Internetseite »Health Feedback« hin, wo kontroverse wissenschaftliche Ergebnisse diskutiert werden. Die »Idee der zytoplasmatisch-nukleären Vermischung« treffe daher nicht zu. Selbst wenn die DNA in den Zellkern gelangen würde, wäre zudem die Integration eines Plasmids in das Zellgenom ein äußerst seltenes Ereignis. Und »schließlich werden diese Zellen, da sie ein virales Antigen (das SARS-CoV-2-Spike-Protein) exprimieren, vom Immunsystem zerstört«, fährt Imperiale fort.

Irreführende Aussagen zu »Affen-DNA« in den Impfstoffen

Eine weitere Diskussion dreht sich um angeblich vorhandene »Affen-DNA« als Teil des Plasmids für die In-vitro-Herstellung der mRNA. Diese Behauptung wurde aus einer Antwort der kanadischen Arzneimittelzulassungsbehörde Health Canada auf eine Anfrage der Website »AFP Fact Check« abgeleitet. Sie ist aber stark irreführend, denn bei der angeblichen »Affen-DNA« handelt es sich nur um einen sehr kleinen DNA-Abschnitt auf dem Plasmid, das von einem Virus stammt.

Konkret ist die Rede von einem Abschnitt des Simian Virus 40 (SV40) Promotor-Enhancers. Er hilft bei der Transkription der mRNA während des Produktionsprozesses, sei ansonsten aber inaktiv, wie Health Canada betont. Die Konzentrationen dieses Elements hätten bei Messungen zudem durchweg unter dem von den Regulierungsbehörden geforderten Grenzwert gelegen. Die Behauptung, der Impfstoff enthalte SV40, ist falsch.

SV40 gilt als Onkovirus, da es in der Zellkultur bei menschlichen Zellen unter bestimmten Bedingungen Tumoren induziert. In Menschen selbst wurde jedoch bisher kein direkter Zusammenhang zwischen einer SV40-Infektion und der Entstehung von Krebs nachgewiesen. Zum onkogenen Potenzial des SV40-Enhancers schreibt Health Canada: »Alle Behauptungen, dass das Vorhandensein der SV40-Promotor-Enhancer-Sequenz mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden ist, sind unbegründet.« Es gebe nicht einmal einen Beweis dafür, dass das Vorhandensein des vollständigen SV40 in einem Impfstoff das Krebsrisiko oder die Beschleunigung von Krebs bei Einzelpersonen erhöhe, so die Arzneimittelbehörde.

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