| Daniela Hüttemann |
| 28.11.2025 16:00 Uhr |
Einige Aspekte des Referentenentwurfs zum ApoVWG rütteln an den Grundpfeilern des Apothekensystems in Deutschland. / © Getty Images/Detlef Voigt
Zunächst erinnerte Lutz Tisch, Geschäftsführer Recht der ABDA, noch einmal an den innigsten Auftrag der Apothekerschaft: »Hier wird eine staatliche Pflicht auf eine Berufsgruppe verlagert, die für den Staat Aufgaben übernimmt und entlastet«, so Tisch mit Blick auf die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Beruf und Umfeld würden dafür stark reglementiert, mit Kontrahierungszwang, Lagerhaltung, Rezeptur, Beratungspflichten inklusive Nicht-Abgabe, Dienstbereitschaft und Prüf- und Dokumentationspflichten.
Gleichzeitig müsse der Staat auch für eine auskömmliche Vergütung sorgen, damit der Apothekeninhaber weiterhin unabhängig agieren kann. »Diese Voraussetzung wird seit mindestens 13 Jahren nicht mehr vom Staat erfüllt – der Staat prellt gewissermaßen die Zeche«, wurde Tisch deutlich.
Der ABDA-Chefjurist warnte jedoch vor vermeintlichen Erleichterungen im Referentenentwurf zum Apothekenversorgungs-Weiterentwicklungsgesetz (ApoVWG). Knackpunkte seien vor allem die PTA-Vertretung, die »Verzwergung von Apotheken« mit Qualitätsabstrichen (beispielsweise durch Abschaffung der Laborpflicht für alle Filialen und Aufhebung der Raumeinheit) und einer faktischen Aufhebung der Arzneimittelpreisbindung durch einen »Landapothekenzuschlag«. Hier werde die Apotheke in ihrer jetzigen Struktur in ihren Grundfesten angefasst.
Von Lockangeboten wie einer »unverbindlichen Inaussichtstellung auf ein neues Fixum, einer Verhandlungslösung, der Wiedereinführung von Skonti, neuen Dienstleistungen inklusive Impfen und Testen sowie mehr Austauschmöglichkeiten bei Rx-Arzneimitteln sollte man sich nicht ködern lassen, auch wenn die Reform hier durchaus positive Aspekte beinhalte. Eine ausführliche Analyse des ApoVWG hatte Lutz Tisch auch diese Woche im Podcast PZ-Nachgefragt mit Chefredakteur Alexander Müller dargelegt und vor einem »Systembruch« gewarnt.
»Wenn die inhabergeführte Apo eine Zukunft haben soll, auch für künftige Generationen, braucht es das Gegenteil der vorgeschlagenen Reform: eine Erhöhung des Fixums jetzt und alle Ansätze Richtung Fremd- und Mehrbesitz müssen weg«, sagte er am Donnerstagabend bei der Online-Infoveranstaltung der Hamburger Apothekerkammer.
Zumindest scheint das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gesprächsbereit. Man sei in ständigem Austausch, berichteten Tisch und Ralf Denda, Leiter politische Strategie der ABDA. »Wir wollen es mit Argumenten und Worten bis zum Kabinettsentwurf am 17. Dezember versuchen.« Von lauten Protesten wird abgesehen, damit sich die derzeit offenen Ohren nicht verschließen. Tisch sagte aber auch: »Wenn es im Kabinettsentwurf keine echten Verbesserungen gibt, haben wir ein echtes Problem.«
Ab dann seien nicht mehr das BMG und Ministerin Nina Warken (CDU) die Ansprechpartner, erklärte Denda. Dann gelte es, die Bundestagsabgeordneten der verschiedenen Parteien und auch die Länder zu überzeugen. »Da müssen wir auf alles vorbereitet sein.« Zudem sammle die ABDA alle bisher gemachten Zitate und Ankündigungen aller Politiker für die Apotheken vor Ort, um sie darauf festzunageln. Hier gelte es, an die Glaubwürdigkeit der Politik zu appellieren, auch im Hinblick auf die versprochene Fixumerhöhung im Koalitionsvertrag.
Ab Januar brauche es dann ein »Grundrauschen« aus der Apothekerschaft und am besten auch Bevölkerung für die Apotheken vor Ort. »Wir müssen Stimmung machen und die Länder sensibilisieren bis zur ersten Lesung im Bundesrat Ende Januar.« Denda erinnerte daran, dass in vielen Bundesländern 2026 Kommunal- und/oder Landtagswahlen stattfinden. Da könne man die Abgeordneten gut in ihren Wahlkreisen erreichen. Und die bröckelnde Versorgung sei ein großes Thema. Über konkrete Protestmaßnahmen sprach Denda noch nicht.
Hamburgs Kammerpräsident Holger Gnekow konstatierte, aktuell drücke sich die Politik um eine konkrete Aussage, ob sie einen Systemwechsel im Apothekenwesen wolle. Umgekehrt müssten die Apothekerinnen und Apotheken klar und mit einer Stimme sprechen. »Wir stehen für die inhabergeführte Apotheke, die mit Verantwortungsbewusstsein die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, Gesundheitsdienstleistungen und Nähe am Menschen täglich und in Notfällen, insbesondere in Krisensituationen, mit persönlichem Einsatz gewährleisten. Voraussetzung dafür ist, dass wir wirtschaftlich gestärkt werden.«
Um diese Position zu untermauern und einem »Downgrading« vorzubeugen, müssten die Apotheken sich um die Sicherung der Qualität kümmern, unter anderem durch mehr Fortbildungszertifikate, Weiterbildung, Pseudocustomer-Besuche und ZL-Ringversuche. »Gleichzeitig wollen wir Innovationen wie neue Dienstleistungen anbieten und uns in der Primärversorgung engagieren, zum Beispiel durch assistierte Telemedizin in Apotheken.«
Gnekow wiederholte auch seine Vorschläge eines besseren Lieferengpass-Managements durch eine Verfügbarkeits-App und Maßnahmen gegen die ausufernden Kosten bei Hochpreisern durch eine bessere Förderung der Adhärenz und der Kontrolle wirtschaftlicher Verordnungen. »Wir können nicht nur verharren. Wir müssen eine wirtschaftliche Stärkung auch fordern, weil wir mehr Freude an Verantwortung und Innovation haben wollen.«