Fachkräftemangel auf Rekordniveau |
Melanie Höhn |
23.01.2025 15:00 Uhr |
Innerhalb von zehn Jahren hat sich der Fachkräftemangel in Deutschland mehr als verdoppelt. / © IMAGO/Westend61
Der Fachkräftemangel in Deutschland hat ein neues Rekordniveau erreicht: 86 Prozent der Unternehmen melden Probleme bei der Besetzung offener Stellen, wie eine aktuelle Befragung der ManpowerGroup unter 1050 Unternehmen aus Deutschland und über 40.000 Unternehmen weltweit ergab. Der Fachkräftemangel in Deutschland betreffe vom Kleinstbetrieb bis hin zum Großkonzern Unternehmen jeglicher Größenordnung.
Innerhalb von zehn Jahren habe sich der Fachkräftemangel in Deutschland damit mehr als verdoppelt, heißt es in der Umfrage. 2014 hätten lediglich 40 Prozent der Unternehmen Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen gemeldet. Damit stehe Deutschland auch weltweit an der Spitze und übertreffe den globalen Durchschnitt von 74 Prozent deutlich.
»Die Situation spitzt sich weiter zu, denn die Anforderungen des Arbeitsmarktes verändern sich schneller denn je«, erklärte Terry Cade, Geschäftsführer von Manpower Deutschland. »Unternehmen müssen die richtigen Strategien finden, um spezialisierte Talente zu gewinnen und bestehende Mitarbeitende durch gezielte Weiterbildung auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten. Flexibilität und individuelle Angebote sind dabei entscheidende Erfolgsfaktoren.«
Spitzenreiter beim Fachkräftemangel sind Unternehmen aus der Energie-Branche mit 92 Prozent, gleich dahinter folgen das Gesundheitswesen und die IT-Branche mit jeweils 89 Prozent. Hier übersteige die »Nachfrage nach Fachkräften mit spezialisierten Kompetenzen das Angebot bei weitem« – dies sei ein deutlicher Indikator für die zunehmende Spezialisierung des Arbeitsmarktes. Wie eine Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit ergab, gehören Apotheker und PTA in Deutschland zu den vom Fachkräftemangel besonders betroffenen »Engpassberufen«.
Laut der ManpowerGroup-Befragung reagieren deutsche Arbeitgeber bereits auf den immer kleiner werdenden Pool verfügbarer Fachkräfte, passen ihr Leistungsangebot an und setzen dabei auf eine Vielzahl von Maßnahmen. »Besonders hervorzuheben ist die zunehmende Bedeutung flexibler Arbeitszeiten und hybrider Arbeitsmodelle, die von 27 Prozent der Unternehmen angeboten werden. Arbeitgeber wollen so den Bedürfnissen der Arbeitnehmenden besser gerecht werden und im Wettbewerb um Talente punkten«, heißt es.
Auch Investitionen in Weiterbildung und Umschulung werden laut der Umfrage von 23 Prozent der Unternehmen als strategische Antwort auf den Fachkräftemangel genutzt. »Diese Maßnahmen helfen nicht nur, bestehende Mitarbeitende zu fördern, sondern auch, die Lücke zwischen verfügbaren Kompetenzen und den Anforderungen des Arbeitsmarktes zu schließen«, so die Autoren der Befragung.
Gehaltserhöhungen spielten mit 21 Prozent eine geringere Rolle als erwartet. Zwar bleibe eine attraktive Vergütung ein wichtiges Mittel, um Fachkräfte zu gewinnen, doch zeige sich, dass auch die Flexibilität bei Arbeitszeiten und -orten (16 Prozent) für viele Bewerbende ein starker Anreiz sei. 11 Prozent gaben an, keinerlei Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel zu ergreifen.
»Diese Entwicklungen unterstreichen, dass Unternehmen zunehmend auf individuelle und langfristige Lösungen setzen, um sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren. Das müssen sie auch, denn der Wettbewerb um die besten Talente ist härter denn je«, kommentierte Terry Cade die Umfrageergebnisse. Erfolgreiche Unternehmen würden sich durch maßgeschneiderte Angebote auszeichnen, die auf die Lebensrealitäten der Beschäftigten eingehen.
Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) aktuell mitteilte, arbeiteten zum Jahresende 2023 knapp 6,1 Millionen Personen im Gesundheitswesen. Dies waren 27.000 oder 0,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Zwar ist zwischen den Jahren 2019 und 2023 das Gesundheitspersonal um 5,3 Prozent gestiegen. Doch im Vergleichszeitraum vor der Pandemie zwischen 2015 und 2019 war der Zuwachs des Gesundheitspersonals mit 6,9 Prozent höher.
Zu den ambulanten Einrichtungen zählen im Einzelnen Apotheken, Arzt- und Zahnarztpraxen, Praxen sonstiger medizinischer Berufe (zum Beispiel Praxen von Physio- oder Ergotherapeutinnen und -therapeuten), Einzelhandel mit medizinischen und orthopädischen Artikeln und die ambulanten Pflegeeinrichtungen. Ende 2023 arbeiteten in diesen Einrichtungen insgesamt 2,5 Millionen Personen und 1,6 Millionen Vollzeitäquivalente. Hier stieg die Zahl der beschäftigten Personen zwischen 2019 und 2023 nur um 4,3 Prozent, demgegenüber gab es zwischen den Jahren 2015 und 2019 noch einen Personalzuwachs von 7,4 Prozent.
In einzelnen ambulanten und (teil-)stationären Einrichtungen wie Apotheken oder Zahnarztpraxen oder war zwischen den Jahren 2019 und 2023 ein Rückgang der Vollzeitäquivalente zu verzeichnen, während im Zeitraum von 2015 bis 2019 in diesen Einrichtungen die Zahl der Vollzeitäquivalente noch gestiegen war.
Gegen den Trend stellt sich der Beschäftigungszuwachs in der pharmazeutischen Industrie und dem Gesundheitsschutz dar: Zwischen den Jahren 2019 und 2023 stiegen das Personal und die Vollzeitäquivalente in der pharmazeutischen Industrie und dem Gesundheitsschutz mit einem Zuwachs von 9,9 Prozent und 9,3 Prozent wesentlich stärker an als zwischen den Jahren 2015 und 2019 (4,2 Prozent und 3,9 Prozent).