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Medizinisches Cannabis

Experten sehen Reformbedarf

Für schwerkranke Patienten scheint es nach wie vor schwierig, vom Arzt medizinisches Cannabis verordnet zu bekommen. Das wurde am Mittwoch bei einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags deutlich. Die Opposition sieht Reformbedarf.
AutorKontaktEv Tebroke
Datum 22.03.2019  15:42 Uhr

Die Grünen und die Linkspartei sehen Nachbesserungsbedarf bei den Regelungen zur Verordnung von Cannabis als Medizin. Ärzte verordnen zwar deutlich mehr Cannabis als noch vor 2 Jahren. Aber nach wie vor bekommen längst nicht alle schwerkranken Patienten eine Verordnung, denen medizinisches Cannabis helfen würde. Insbesondere die Abschaffung des Genehmigungsvorbehalts der Kassen stand deshalb im Zentrum der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags am Mittwoch in Berlin.

Die aktuelle Regelung, dass Ärzte vor der ersten Verordnung von medizinischem Cannabis bei den Kassen einen Antrag auf Genehmigung stellen müssen, verletzt aus Sicht von Grünen und Linken die Maxime der ärztlichen Therapiehoheit. Nicht nur bedeute die Antragstellung einen enormen bürokratischen Aufwand, sondern diese Hürde verhindere auch, dass ein Großteil der bedürftigen Patienten medizinisches Cannabis erhalten könne. Aus Angst vor Regressen seitens der Kassen oder aus Unsicherheit trauten sich Mediziner häufig nicht, entsprechende Verordnungen auszustellen. Grüne und Linke wollen deshalb gesetzlich nachbessern und die Vorbehaltsregelung abschaffen.

Mit dem am 10. März 2017 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften wurde für schwerkranke Patienten auch die Verschreibung von medizinischem Cannabis als Kassenleistung ermöglicht, sei es als Fertigarzneimittel auf Cannabisbasis oder als getrocknete Blüten. Bevor der Arzt aber eine Verordnung ausstellen darf, muss er einmalig von der Kasse eine entsprechende Genehmigung einholen. Laut Fünftem Sozialgesetzbuch (§ 31 Absatz 6 Satz 1 SGB V) dürfen die Kassen die Anträge auf Kostenerstattung nur in begründeten Ausnahmefällen ablehnen.

Derzeit werden nach Angaben des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) rund ein Drittel aller Anträge von den Kassen abgelehnt, häufig sind Formfehler beim Antrag die Ursache. Die Krankenkassen erachten einen Genehmigungsvorbehalt als notwendig. »Die Antragstellung dient primär dem Schutz von Patient und Vertragsarzt«, heißt es in der Stellungnahme. Angesicht der in vielen propagierten Anwendungsgebieten »enttäuschenden Evidenzlage« diene die Nachrangigkeit der Versorgung mit Cannabisarzneimitteln nach anderen Therapiealternativen insbesondere dem Schutz vor nicht ausreichenden Therapien. Die Vorabprüfung könne zudem sicherstellen, dass die Indikationsstellung des Vertragsarztes den gesetzlichen, medizinischen und im weiteren Sinn wirtschaftlichen Anforderungen gerecht werde. 

Aus Sicht der Grünen und der Linkspartei führt die aktuelle Lage jedoch zu einer Verunsicherung der Ärzte, da diese medizinisches Cannabis entweder gar nicht erst verordnen wollen, oder aber aus Angst vor Regressen oder Ablehnung den Verordnungskorridor sehr eng halten.

Bestätigung durch Einzelsachverständige

Die Verunsicherung seitens der Ärzte wurde in der Anhörung von mehreren Einzelsachverständigen bestätigt. So unterstrich etwa Eva Milz, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, die aktuelle Regelung führe dazu, dass Ärzte nur sehr zurückhaltend verordneten. Um Unsicherheiten abzubauen, sieht sie Aufklärungsbedarf über die unterschiedlichen Medikamentenangebote und -wirkspiegel. Eine Herausnahme von Cannabisblüten aus dem Arzneimittelspektrum lehnt sie ab. Diese würde den Verordnungsrahmen für Patienten sehr einschränken. Milz ist sich sicher, dass Ärzte mit der Zeit in die Therapie hineinwachsen.

Der Leiter der AG Cannabis des Berufsverbands der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland und stellvertretender Sprecher der Ad-hoc-Kommission Cannabis in der Medizin der Deutschen Schmerzgesellschaft, Knud Gastmeier, sieht einen grundsätzlichen Wegfall des Genehmigungsvorbehalts als kritisch. Das Regressrisiko bleibe für den Arzt unkalkulierbar. »Aufgrund der Regressgefahr ist der Genehmigungsvorbehalt nicht abzuschaffen«, betonte Gastmeier. Aber es müsse nachgebessert werden.

Eine Ausnahme fordert er für den niedrigdosierten Bereich. Der niedergelassene Anästhesist mit den Zusatzbezeichnungen »Spezielle Schmerztherapie« und »Palliativmedizin« behandelt eigenen Angaben zufolge viele multimorbide geriatrische Patienten »mit hohem Leidensdruck«. Diesen sei oft mit einer Cannabisbehandlung im extrem niedrigen Dosisbereich geholfen. Hier sieht er die Hürden, die ein Genehmigungsverfahren stellt, als nicht zielführend und unangemessen.

Auch Neurologin Kirsten Müller-Vahl, Professorin an der Medizinischen Hochschule Hannover, sieht eine Abschaffung des Genehmigungsvorbehalts kritisch. Sie befürchtet, dass Ärzte dann aus Angst vor Regressen noch weniger medizinisches Cannabis verordnen als jetzt.

Gastmeier und Müller-Vahl, beide Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM), regten an, Krankenkassen zur Kostenübernahme zu verpflichten, wenn ein cannabisbasiertes Medikament im konkreten Einzelfall eine spürbare positive Wirkung auf die Symptome habe. »Sinnvoll wäre eine Regelung, wie sie für die Kostenübernahme bei dem Fertigarzneimittel Sativex® gilt«, heißt es in der Stellungnahme der ACM. Dieses Medikament kann demnach für die Behandlung der mittelschweren bis schweren Spastik bei Multipler Sklerose von Erwachsenen verschrieben werden. »Die Kosten werden langfristig allerdings nur dann erstattet, wenn sich während eines Behandlungsversuchs auch eine tatsächliche Besserung ergibt.«

Grünen-Gesundheitsexpertin Kirsten Kappert-Gonther wertet das Ergebnis der Anhörung als eindeutig: »Die Anhörung zu Medizinalcannabis hat gezeigt, dass Reformbedarf besteht.«

 

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