EU-Pharmapaket hat nächste Hürde genommen |
Jennifer Evans |
10.04.2024 18:56 Uhr |
Das geplante EU-Pharmapaket soll die Versorgung mit Arzneimitteln in den europäischen Mitgliedstaaten verbessern sowie die Innovationstätigkeit der Arzneimittelindustrie fördern. / Foto: Adobe Stock/VGV
Am heutigen Mittwoch hat das EU-Parlament zu den Reformvorschlägen für die Überarbeitung des EU-Arzneimittelrechts für Humanarzneimittel abgestimmt. Trotz viel Gegenwind der Mitgliedstaaten und Kostenträger setzte sich das sogenannte EU-Pharmapaket im Parlament durch und hat damit die nächste Hürde genommen.
Es besteht aus zwei Legislativ-Vorschlägen, einer Richtlinie (angenommen mit 495 Ja-Stimmen, 57 Nein-Stimmen und 45 Enthaltungen) und einer Verordnung (angenommen mit 488 Ja-Stimmen, 67 Nein-Stimmen und 34 Enthaltungen). Gemeinsam sollen sie alle vorangegangenen Arzneimittelvorschriften ersetzen beziehungsweise vereinfachen.
Eigentlich sollte das EU-Pharmapaket bereits vor den Europawahlen im Juni 2024 unter Dach und Fach sein. Doch es hatte ordentlich Kritik aus den Mitgliedstaaten gehagelt, was das Vorhaben verzögert hatte. Nun werden die Verhandlungen mit dem EU-Rat in die Verantwortung des neuen EU-Parlaments fallen.
In ihrem Beitrag betonte Pernille Weiss (EVP), Berichterstatterin für die Richtlinie, dass mit der Reform nicht allein die Industrie über die Gesundheit der EU-Bürger entscheidet, sondern es auch um Qualität, Sicherheit sowie Umweltaspekte bei der Arzneimittelproduktion geht.
Sie schätzt, die neuen Rahmenbedingungen könnten »wie ein Magnet« wirken können, der pharmazeutische Unternehmen wieder nach Europa zieht. Insgesamt hob sie hervor, welchen großen Einfluss die Reform in Zukunft auf das Leben der Patienten haben werde und wie gewinnberingend sie außerdem für die europäischen Gesundheitssysteme sein werde. Sie hoffe, der Rat wisse das Engagement der Abgeordneten zu schätzen.
Tiemo Wölken (S&D), Berichterstatter für die Verordnung, lobte die Balance der Interessen, die im Zuge der Beratungen herbeigeführt worden sei. Nach der Coronavirus-Pandemie sei es darum gegangen, die richtigen Lehren zu ziehen. Und das habe die EU-Kommission mit diesem Reformvorschlag getan. Durch das neue Anreizsystem für die Antibiotika-Entwicklung sieht er zudem die Chance, einen (Markt-)Fehler aus der Vergangenheit wiedergutzumachen. Diese Reform ebne den Weg zur Bewältigung kritischer Herausforderungen wie Arzneimittelknappheit sowie Antibiotikaresistenzen.
Die EU-Kommission verteidigte ihr Pharmapaket während der heutigen Debatte vor dem EU-Parlament und sprach von einer »Win-win-Situation« für Patienten und die pharmazeutische Industrie. Das Vorhaben feierte die Kommission als »die wichtigste Reform der vergangenen fast zwei Jahrzehnte«.
Sie beinhalte »robuste Rahmenbedingungen für die Industrie« und mache die Versorgung für Patienten sicherer, schneller und erschwinglicher. Auf diese Weise gelinge es, Europa wieder attraktiver für Innovationen zu machen. Zudem sei die Bedeutung der Reform für die European Health Union nicht zu unterschätzen, was sie als die »größte Erfolgsgeschichte der EU« bezeichnete. Dabei wirken alle EU-Länder an der Krisenbereitschaft und ‑bewältigung mit und schaffen widerstandsfähigere Gesundheitssysteme.
Die Abgeordneten wollen einen Mindestzeitraum von siebeneinhalb Jahren für den Unterlagenschutz für neue Arzneimittel einführen. Pharmaunternehmen sollen Anspruch auf zusätzliche Schutzfristen von einem Jahr erhalten, wenn ihr Produkt einen ungedeckten medizinischen Bedarf deckt. Wenn sie vergleichende klinische Studien mit dem Produkt durchführen, gibt es weitere sechs Monate. Wer Forschung und Entwicklung zumindest teilweise in die EU verlegt, erhält ebenfalls sechs Monate zusätzlich. Die Obergrenze soll aber bei achteinhalb Jahren liegen.
Für Orphan Drugs soll eine Marktexklusivität von bis zu 11 Jahren möglich sein, wenn diese einem »hohen ungedeckten medizinischen Bedarf« decken.
Um die Forschung und die Entwicklung neuer antimikrobieller Mittel zu fördern, soll es künftig Belohnungen geben, unter anderem geht es um die vieldiskutierte Voucher-Lösung. Übertragbare Gutscheine für neue Antibiotika, mit denen sich ein weiteres Jahr Marktexklusivität sichern lässt.
Zum Hintergrund: Ziel des EU-Pharmapakets ist es, den Zugang zu Arzneimitteln innerhalb der Mitgliedstaaten zu verbessern. Auch gilt es, Innovationen stärker zu fördern, um Versorgungslücken zu schließen, insbesondere mit Therapien seltener Erkrankungen sowie neuartigen antimikrobiellen Präparaten.