EU-Parlament statt Offizin |
Lukas Brockfeld |
28.05.2024 09:00 Uhr |
Nicola Ciliax-Kindling (links) und Jutta Paulus wollen in das Europäisches Parlament gewählt werden. / Foto: Nicola Ciliax-Kindling / European Union 2019 - EPphotographer
Am 9. Juni wird das Europäische Parlament gewählt. Die Wahl gilt vielen Beobachtern als richtungsweisend für die Zukunft des ganzen Kontinentes und dürfte auch für die Gesundheitspolitik von großer Bedeutung sein.
Für das Europäische Parlament kandidieren auch Apothekerinnen und Apotheker. Jutta Paulus (Grüne) ist eine von ihnen. Paulus wurde bereits 2019 ins Europäische Parlament gewählt und war unter anderem Mitglied im »Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit«.
Auch in der kommenden Legislaturperiode dürften diese Themen die Arbeit der approbierten Apothekerin bestimmen. Gegenüber der PZ sagte Paulus: »Ich bin mit Leib und Seele Umweltpolitikerin. Und da ist die europäische Ebene die richtige, denn Naturschutz, Klimapolitik, Energiepolitik werden hauptsächlich in Brüssel und Straßburg entschieden.«
Die Pharmazeutin arbeitete allerdings nur kurz in ihrem unmittelbaren Fachgebiet. Im Jahr 1991 gründete sie gemeinsam mit ihrem damaligen Mann und einem Freund ein Labor für Innenraumschadstoffe und Ökotoxikologie. Dieser Hintergrund ist noch heute bei ihren umweltpolitischen Schwerpunkten erkennbar: »Pestizidzulassungsverfahren müssen an den Stand der Wissenschaft angepasst werden. Denn viele gesundheitliche und ökologische Auswirkungen waren zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Verordnung noch gar nicht bekannt«, erklärte Paulus eines ihrer Hauptanliegen.
Außerdem betonte die Abgeordnete: »Das Chemikalienrecht muss handhabbarer werden und sowohl Energiebedarf als auch Klimaauswirkungen von Chemikalien berücksichtigen. Und es ist notwendig, die Naturräume in Europa besser zu vernetzen, sonst können unsere seltenen Arten nicht überleben.«
Auch wenn sie sich auf die Politik verlegt hat, hob Paulus gegenüber der PZ die Bedeutung ihrer Berufserfahrung hervor: »Die breit gefächerte naturwissenschaftliche Ausbildung war mir sowohl in meiner Tätigkeit als Qualitätssicherung im Labor, als auch im Qualitätsmanagement im Krankenhaus wie auch jetzt im Parlament von großem Nutzen.«
Die Apothekerin ist froh, dass sie in ihrer ersten Amtszeit an vielen Gesetzen des 2019 vorgestellten »European Green Deal« mitarbeiten durfte. »Auch wenn wir Grüne als kleine Fraktion nicht den Ton angeben, so konnte ich doch einiges für Klima-, Umwelt- und Artenschutz erreichen. Wobei diese Begriffe eigentlich in die Irre führen, denn die Bewahrung unserer Überlebensgrundlagen sollte man eher als Menschenschutz bezeichnen«, so die Abgeordnete.
Auch Nicola Ciliax-Kindling kandidiert für das Europaparlament. Anders als Jutta Paulus leitet die Christdemokratin aktuell ihre eigene Apotheke in Odenthal, einer Gemeinde in der Nähe von Köln. Auch wenn sie bisher noch kein europäisches Mandat hat, verfügt sie über reichlich politische Erfahrung: »Ich bin seit vielen Jahren kommunalpolitisch für die CDU und kammerpolitisch für die Initiative Nordrhein in der Apothekerkammer Nordrhein aktiv. Das Ehrenamt als CDU- Fraktionsvorsitzende in unserer Gemeinde bringt mir sehr viel Spaß und die politische Tätigkeit hat mir viele Einblicke in unsere Systeme, wie Verwaltung, Bildung und Finanzen gegeben.«
Ciliax-Kindling bedauerte gegenüber der PZ, dass es aktuell nur eine Apothekerin im EU-Parlament gibt: »Ich bin der Auffassung, das eine Abgeordnete, egal welcher Partei für unseren Berufstand zu wenig ist, um unseren Themen Gewicht zu geben. Arzneimittel-Engpässe, die Forschung im Bereich der Krebserkrankungen, Orphan Deseases und die Arzneimittelforschung sind besser gemeinsam, europaweit zu lösen.«
Viele Herausforderungen ließen sich am besten in einem europäischen Kontext meistern. Als Beispiele nannte die Christdemokratin die Corona-Pandemie und die europaweite Koordination der Impfstoffbeschaffung. »Aber auch die Herausforderungen des Fachkräftemangels, das Zusammenbringen von jungen Menschen und Frieden und Freiheit für alle zu erhalten, treiben mich an«, erklärte Ciliax-Kindling.
Sollte es Ciliax-Kindling ins Parlament schaffen, möchte sie unbedingt weiter in ihrer Apotheke arbeiten: »Ich habe meine Kandidatur eng mit meinem Team und meiner Familie abgestimmt und meine zwei Approbierten haben das Vorhaben voll unterstützt. Ich würde die Apotheke weiterhin leiten und in der sitzungsfreien Zeit als Apothekerin arbeiten, um auch im Tagesgeschehen zu bleiben. Meine Apotheke ist eine Landapotheke. Sie ist Anlaufpunkt für viele Bürgerinnen und Bürger, sich auch dort mit mir austauschen und mit denen ich viele Probleme und Fragen diskutiere.« Aufgrund ihres Listenplatzes geht die Approbierte allerdings nicht davon aus, dass ihre Kandidatur Erfolg haben wird.
Sollte es Ciliax-Kindling wider Erwarten doch ins Parlament schaffen, ist sie gut vorbereitet. Ihr Beruf habe sie gelehrt, Sachverhalte zu analysieren und problemorientiert zu arbeiten. Außerdem brauche man in der Politik, genau wie in der Apotheke, einen langen Atem. »Ich liebe es, mit Menschen zusammen zu sein und zu kommunizieren und deshalb glaube ich, dass jemand der gerne berät und in der Offizin tätig ist, auch in die Politik gehen kann«, erklärte die Apothekerin aus Odenthal.