„Es wird nicht 20, 30 Apps für das E-Rezept geben“ |
Gottfried Ludewig, Abteilungsleiter für Digitales im Bundesgesundheitsministerium, stellte bei einem ABDA-Talk am heutigen Mittwochabend klar, dass die E-Rezept-App der Gematik nicht von anderen Anbietern umgangen werden dürfe. / Foto: PZ/Philipp Külker
Kurz nach dem Start des E-Rezept-Testlaufs in Berlin/Brandenburg drehen sich die Diskussionen rund um das neue, digitale Verordnungssystem derzeit auch um eine kürzlich bekannt gewordene Strategie der Arzneimittel-Versandhändler. Wie die PZ kürzlich berichtete, planen Doc Morris und der Versandkonzern Apologistics ihren Kunden eine Foto-Funktion für E-Rezepte anzubieten. Dabei bauen die Konzerne auf eine Schwäche im staatlichen E-Rezept-System: Denn eigentlich sollte laut Gesetz die von der Gematik gebaute Smartphone-App exklusiv zur E-Rezept-Weiterleitung genutzt werden. Für diese gibt es allerdings ein kompliziertes Anmeldeverfahren, das nicht allen GKV-Versicherten zur Verfügung steht. Und so dürften fast alle E-Rezepte anfangs ausgedruckt werden – die Versender bieten den Kunden daher an, die ausgedruckten Codes über ihre eigenen Apps zu scannen und somit an den Versandhandel weiterzuleiten.
Den Apothekern bereitet diese Strategie natürlich große Sorgen, weil die Versender sich damit gleich zum Start des E-Rezeptes einen Wettbewerbsvorteil verschaffen könnten. Bei einem Online-Talk der ABDA sprachen ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening und Gottfried Ludewig, Abteilungsleiter für Digitalisierungsfragen im BMG, unter anderem über dieses Thema. Overwiening stellte klar, dass das Abfotografieren ausgedruckter E-Rezept-Codes aus ihrer Sicht »nicht ganz schlüssig« sei. Schließlich sollten die Vor-Ort-Apotheken digitale Anwendungen in die Fläche bringen und ihren Kunden das E-Rezept erklären, damit diese es verstehen und akzeptieren. Die Foto-Funktion sei ein »Einfallstor« für Ungleichbehandlungen. Sie habe die »unbedingte Erwartung« an das BMG, dass dies noch verhindert werde vor dem E-Rezept-Start im Januar. Overwiening erinnerte auch an Smartphone-Apps, wie etwa die TicketApp der Berliner Verkehrs Betriebe (BVG), in denen die Codes nicht in andere Apps und andere Smartphones übertragbar sind.
BMG-Digital-Chef Ludewig zeigte durchaus Verständnis für die Bedenken der ABDA-Präsidentin. Er kündigte an, dass man sich im Rahmen der derzeitigen Testphase genau anschauen wolle, ob das System »missbrauchsanfällig« sei. Mehrfach erinnerte er daran, dass die Gematik laut Gesetz die einzige App zur E-rezept-Weiterleitung sein soll. »Da haben wir eine sichere, geprüfte Umgebung«, so Ludewig. Auch mit Blick auf die Krankenkassen, die die E-Rezept-Funktion in ihre Smartphone-Apps integrieren wollen, erklärte Ludewig: »Es wird keine 20 oder 30 Apps geben, in die das E-Rezept reinläuft. Das kann ich versichern. All diese Apps müssten geprüft werden. Wir haben einen sicheren Hafen geschaffen mit der Gematik-App.« Allerdings stellte der BMG-Abteilungsleiter auch klar, dass der Kunde immer frei entscheiden können müsse, bei welcher Apotheke er sein E-Rezept einlösen wolle. »Wenn ich mein E-Rezept einmal in der Gematik-App habe, bin ich frei wo ich es einlöse«, so Ludewig.
Mehrfach erklärte Ludewig zudem, dass das E-Rezept aus seiner Sicht insbesondere die Apotheken vor Ort stärken könne. »Kein Versandhändler kann die Geschwindigkeit der Apotheken bieten«, sagte Ludewig und rief die Apotheken dazu auf, ihre Vor-Ort-Services wie beispielsweise Botendienste und Beratungen im Einklang mit der neuen, digitalen E-Rezept-Welt zu verknüpfen. In der Diskussion ging es auch um die Frage, wer die Verbraucher künftig über die E-Rezept-Einführung informiere. Moderator und Handelsblatt-Journalist Julian Olk stellte die Frage, warum »große, niederländische Versandkonzerne« derzeit die einzigen seien, die über das E-Rezept informierten. Overwiening konterte: »Die informieren nicht, die werben.«
Overwiening und Ludewig sprachen auch über den Start des E-Rezept-Modellprojekts in Berlin/Brandenburg. Ludewig erklärte, warum man in der Region derzeit nur mit E-Rezept-Dummies testet und noch auf die Weiterleitung »echter« Verordnungen verzichtet. »Wir brauchen Zeit, um auszuprobieren, was da passiert. Das System funktioniert, wir sind aber ganz am Anfang.« Man wolle die kommenden Wochen und Monate dafür verwenden, die Stellen zu identifizieren, an denen es noch Probleme gibt. Dass Papierrezepte nur langsam aus dem Markt verdrängt werden, darüber waren sich beide Diskutanten einig. Ludewig prophezeit, dass in drei Jahren 90 Prozent aller Rezepte digitalisiert seien, die ABDA-Präsidentin geht davon aus, dass es »in sechs Jahren« keine Muster-16 Rezepte mehr gebe.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.