»Es sollte Regeln für eine auskömmliche Apotheken-Vergütung geben« |
Daniela Hüttemann |
13.04.2024 12:32 Uhr |
Foto: PZ/Daniela Hüttemann
»Wir beobachten seit Jahren, dass immer mehr Apotheken schließen und nur wenige neu eröffnen«, sagte der Landesgesundheits- und Sozialminister bei seinen Grußworten zum Niedersächsischen Apothekertag in Osnabrück. »Dadurch entstehen Lücken in der flächendeckenden Arzneimittelversorgung. Die Wege zur nächsten Apotheke werden weiter, vor allem nachts, und das spüren unsere Bürger.«
Der Politiker und Mediziner nannte selbst die vielfältigen Gründe, die zusammenkommen, konkret den Nachwuchsmangel und die Babyboomer, die nun peu à peu in Rente gehen, aber auch steigende Löhne und IT-Kosten, die Inflation und auch das »unsägliche Skonti-Urteil« des Bundesgerichtshofs. »Mir ist bewusst, dass Ihre wirtschaftlichen Spielräume hier weiter eingeschränkt werden. Sie kommen damit betriebswirtschaftlich an ihre Grenzen.«
Ebenso beim fortdauernden, nervenzehrenden Management der Lieferengpässe: »Sie stehen Ihren Patienten 24 Stunden am Tag sieben Tage die Woche mit Rat und Tat zur Seite und leisten dadurch einen unentbehrlichen Beitrag für die körperliche und psychische Gesundheit der Bevölkerung. Ich danke Ihnen für Ihr unermüdliches und kreatives Engagement.«
Die Apotheken könnten sich auf seine Unterstützung dabei verlassen, alle bestehenden Regelungen und Möglichkeiten zu nutzen, um Alternativen zu finden. Er kann sich auch ein vernetztes IT-System vorstellen, um beispielsweise im Notdienst festzustellen, wo noch Antibiotika für Kinder zur Verfügung stehen.
Philippi wolle gemeinsam mit den Apotheken neue Wege beschreiten. »Apotheken spielen für mich nicht nur bei Arzneimittelversorgung eine wichtige Rolle, sondern auch als Lotsen«, sagte der Minister und begrüßte es, dass die Vorhaben der Gesundheitskioske sich im entsprechenden Gesetzentwurf aktuell nicht mehr wiederfinden. Es sei jedoch wichtig, hier Alternativen anzubieten, um Menschen, die Probleme mit dem Zugang zum Gesundheitssystem haben, gemeinsam aufzufangen. »Wir wollen doch das gleiche, dass es den Menschen da draußen gut geht und wir wollen das System für sie besser machen, ohne dass sie 100 km fahren müssen.«
Deutliche Zusagen für eine bessere Honorierung der Apotheken machte er allerdings nicht. Er sagte lediglich, »es sollte Regeln geben, die eine auskömmliche Vergütung vorsehen.« Auch auf seinen Parteikollegen, den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, ging er kaum ein. Er sagte nur »auch wir sind uns bei dem ein oder anderen Gesetzentwurf noch nicht so ganz grün« und berichtete, dass die Landesgesundheitsminister diese Woche ihre Bedenken zur Krankenhausreform dort vorgetragen hatten.
Zuvor hatte Berend Groeneveld, Vorsitzender des Landesapothekerverbands Niedersachsen, erneut einen eindrücklichen Hilferuf an die Gesundheitsminister und die Politik allgemein abgesetzt. Angelehnt an den Song »Wünsch dir was« der Punk-Bank »Die Toten Hosen« hofft er, dass eine Zeit kommen, »in der das wünschen wieder hilft« und sich »die Welt noch einmal ändern wird und jeder kriegt was er verdient«. Das Lied passe sehr gut zur Situation der Apotheken und ihrer Mitarbeiter, denn es sei wichtig, eine Perspektive zu haben. Es werde aber immer schwieriger.
»Wir brauchen keinen Missmut und keine Ich-Bezogenheit in der Politik, sondern wieder mehr soziales Denken und Handeln«, so Groeneveld. »Respekt, Anstand und Moral, nichts weniger fordere ich ein.« Konkret: »Wir brauchen ein Apotheken-Stärkungs-Gesetz, das den Namen auch wirklich verdient.« Das Eckpunktepapier zur Apothekenstrukturreform Lauterbachs erfülle dies eindeutig nicht, und zwar in keinem einzigen seiner Punkte.
»Wir brauchen definitiv mehr Geld im System«, betonte Groeneveld. Nach elf Jahren Honorarstillstand brauche es dringend eine Erhöhung des Fixums auf 12 Euro pro abgegebener Arzneimittelpackung sowie Dynamisierung des Honorars – und dazu eine stabile Einmalhilfe für jede Apotheke.
Die gestern bekannt gewordenen Urteilsgründe des Bundesgerichtshofs zu Skonti könnten die Apotheken in voller Konsequenz 50 Prozent ihres Unternehmensgewinns kosten. »Hier muss die Bundesregierung jetzt schnell und konsequent handeln, wenn sie das System aufrechterhalten will, sonst haben wir schnell irreparable Schäden.«
»Wir werden dafür kämpfen, für unsere Kunden und unsere Existenz«, versprach der Verbandsvorsitzende. Es habe etwas zu heißen, dass ein Berufsstand, der sich sehr seriös präsentiert, fünfmal letztes Jahr protestiert hatte. »Jetzt muss der Politik klar sein, wie ernst es ist. Wir haben zwar keine Trecker und blockieren nicht das Brandenburger Tor. Aber wir haben bundesweit mehr als drei Millionen Kundenkontakte am Tag.«
Die Apotheken könnten sich gezwungen sehen, diese nun auch politisch zu nutzen, wenn sie anders kein Gehör finden. Allerdings warnte Groeneveld auch davor, nun in einen »Punk-Modus« überzugehen und aus einer politikkritischen Haltung heraus die Unzufriedenheit bei den nächsten Wahlen nicht in die falsche Richtung zu kanalisieren.
Er schätze den respektvollen Umgang mit der Landespolitik auf Augenhöhe und die vielen Gespräche allein mit Minister Philippi. Ein solches Miteinander wünscht er sich auch auf Bundesebene.
Auch Cathrin Burs, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, sagte: »Die Herausforderungen sind gewaltig. Die Reform bedroht unsere Arbeit, unsere Aufgabe einer flächendeckenden pharmazeutischen Versorgung.«
Auch sie betonte den wertschätzenden Umgang mit der Politik auf niedersächsischer Ebene. Sie bedankte sich bei Philippi für sein »Vertrauen in unsere Kompetenz«. »Das ist eine große Motivation und stärkt unser Vertrauen in die Zukunft.«