Es gibt keinen RSV-Impfstoff für Kinder |
Christina Hohmann-Jeddi |
08.11.2024 12:16 Uhr |
Bei Babys kann eine RSV-Infektion schwere Atemwegssymptome auslösen. Alle Neugeborenen in Deutschland sollen daher zum Schutz vor oder in ihrer ersten RSV-Saison eine passive Immunisierung erhalten. / © Getty Images/Jill Lehmann Photography
Kinder- und Jugendärzte beklagen derzeit einen Mangel an »RSV-Impfstoff«, der die Prophylaxe der Säuglinge gegen den Atemwegserreger gefährde. »Wegen Lieferengpässen und hoher Nachfrage wird die für Babys empfohlene Impfung gegen das Respiratorische Synzytial-Virus knapp«, heißt es in einer Mitteilung des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Dabei muss man differenzieren: Bei dem gemeinten Präparat Beyfortus® von Sanofi handelt es sich um ein Arzneimittel, das den humanen monoklonalen Antikörper Nirsevimab enthält und zur passiven Immunisierung eingesetzt wird. Es ist streng genommen kein Impfstoff, da er das Immunsystem nicht aktiviert und somit keine Antikörper im Geimpften gebildet werden.
Sanofi selbst spricht von »RSV-Prophylaxe«. Gegenüber der PZ erklärt das Unternehmen: »Beyfortus® ist eine passive Immunisierung, bei der ein monoklonaler Antikörper mit einer verlängerten Halbwertszeit, der für mindestens fünf Monate gegen schwere Verläufe einer RSV-Infektion schützt, direkt intramuskulär verabreicht wird. Dabei hemmt der Wirkstoff den entscheidenden Membranfusionsschritt im Prozess des Viruseintritts, neutralisiert das Virus und blockiert die Zellfusion.« Der Schutz durch den injizierten Antikörper gegen das Virus ist zeitlich begrenzt, da dieser mit der Zeit abgebaut wird.
Knapp ist das Präparat allerdings, obwohl Sanofi bereits seit Anfang September Beyfortus zur Immunisierung von Neugeborenen und Säuglingen ausliefert. »Zu Beginn der Auslieferungen waren vorrangig Dosen für die Prophylaxe von Kindern mit einem erhöhten Risiko vorhanden. Seit Mitte Oktober sind Beyfortus-Dosen für den Start der Immunisierung aller Neugeborenen und Säuglinge in 50 mg und 100 mg verfügbar«, heißt es von dem Unternehmen. Um der erhöhten Nachfrage nachzukommen, wurden Impfdosen in französischer, spanischer und US-Verpackung bereitgestellt. Sanofi werde kontinuierlich in den folgenden Wochen und Monaten weitere Beyfortus-Dosen auch in deutscher Verpackung ausliefern. Insgesamt ist fast eine halbe Million Dosen für Deutschland für die diesjährige RSV-Saison eingeplant.
Empfohlen ist eine passive Immunisierung mit dem Antikörperpräparat für alle Säuglinge vor oder in ihrer ersten RSV-Saison. Das teilte die Ständige Impfkommission Ende Juni mit.
Zugelassen und ohne Engpässe lieferbar sind inzwischen drei RSV-Impfstoffe – aber nicht für Kinder, sondern für Ältere und Schwangere. Die beiden Proteinimpfstoffe Abrysvo® von Pfizer und Arexvy® von Glaxo-Smith-Kline sowie als neuestes der mRNA-Impfstoff mResvia® von Moderna. Alle sind zum Schutz von Senioren ab 60 Jahren vor schweren RSV-bedingten Atemwegserkrankungen zugelassen. Da sie das Immunsystem aktivieren, hält der Schutz länger an.
Die Vakzine Abrysvo kann als einzige auch bei Schwangeren eingesetzt werden, um bei den Neugeborenen einen passiven Immunschutz zu induzieren. Auch dieser Immunschutz beim Kind ist von einer begrenzten Dauer (etwa sechs Monate nach Geburt).
Von der STIKO empfohlen werden derzeit Abrysvo und Arexvy zum Schutz von Personen ab 75 Jahren und Personen mit Grunderkrankungen ab 60 Jahren vor schweren RSV-bedingten Atemwegserkrankungen. Zu dem mRNA-Impfstoff und zur Verwendung von Abrysvo bei Schwangeren liegen noch keine Empfehlungen der STIKO vor.
Die Immunisierungskampagne bei Senioren läuft offenbar nicht rund: Obwohl eine Impfung seit September für die genannten Risikogruppen Kassenleistung ist, bereitet die Kostenübernahme Probleme. Nur in drei KV-Regionen seien bislang Impfvereinbarungen abgeschlossen worden, kritisierte vor Kurzem der Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands (SpiFa). In allen anderen Regionen müssten Versicherte die Kosten der RSV-Impfung derzeit zunächst privat tragen und dann im Rahmen des Kostenerstattungsverfahrens bei ihrer Krankenkasse zurückfordern.