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Medikamentenengpässe

»Es geht um Daseinsvorsorge, nicht um Luxus«

Eine Expertenrunde bestehend aus Apothekern, Arzneimittelherstellern, Krankenkassen und dem Kinderschutzbund diskutierte in Bochum über Ursachen und effektive Lösungen beim Thema Medikamentenmangel. 
AutorKontaktMelanie Höhn
Datum 19.06.2023  17:05 Uhr

Lieferengpässe bei Medikamenten wie Antibiotika, Hustensäften oder Blutdruckmitteln sind dramatisch. Seit Monaten beklagen Ärzte, Apotheker, Patientinnen und Patienten die aktuell prekäre Lage. Über Ursachen und schnelle, effektive Lösungsansätze diskutierte eine Expertenrunde mit Vertretern von Arzneimittelherstellern, Apotheken, Krankenkassen und dem Kinderschutzbund. Appell an die Politik nach der knapp einstündigen Diskussion: Es müsse im Dialog mit allen Akteuren im Gesundheitswesen schnell gehandelt werden.

»Wir warnen schon seit 10 Jahren«

Wenngleich der Mangel an Arzneimitteln, insbesondere der an Antibiotika-Kindersäften, in diesem Jahr besonders drastisch ist, weil nachgelagerte Effekte der Corona-Welle und instabile Lieferketten sowohl die Nachfrage erhöht als auch das Angebot verknappt haben, sei das Problem nicht neu: »Wir warnen schon seit zehn Jahren vor Arzneimittelengpässen – das ist ungehört verhallt. Und wir sehen auch jetzt kein Ende dieser schlimmen Entwicklung«, beklagte Thomas Preis, der Vorstandsvorsitzende des Apothekerverbands Nordrhein, die aktuelle Situation. Und es würden nicht nur Antibiotika fehlen. »Der Mangel betrifft viele Medikamente: Betablocker, Psychopharmaka, Insulin, Magenmedikamente.« Auch Hubertus Cranz, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH), forderte: »Wir brauchen endlich eine saubere Analyse der Schwachstellen und dann entsprechende Lösungen.«

Doch reden alleine bringe nicht weiter, erklärte Professor Dietrich Grönemeyer, emeritierter Lehrstuhlinhaber für Radiologie und Mikrotherapie der Universität Witten-Herdecke, der die Expertenrunde moderierte. »Mit den Ergebnissen dieser Diskussion wollen wir einen Handlungsprozess in Gang setzen.« Denn einzig auf die Politik zu warten, das habe die Vergangenheit gezeigt, sei einfach zu wenig. »Mir ist es ein Anliegen, nach vorne zu schauen und gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen«, so Grönemeyer weiter.

Die eine große Lösung gibt es nicht

Das derzeitige Problem treffe vor allem Kinder und Jugendliche erneut besonders stark, wie Professor Gaby Flösser, Vorsitzende des Landesverbands NRW des Kinderschutzbundes, betonte. »Die Kinder sind in dieser Krise wieder aus dem Blick geraten«, so Flösser. »Der Medikamentenmangel lässt Kinder leiden, und darunter leiden auch die Familien, das ist ein sich wechselseitig verstärkendes Problem.«

Die Diskutanten waren sich schnell einig: Die eine große Lösung, die das Problem schnell beseitigt, könne es nicht geben. Eine Verlagerung der gesamten Medikamentenproduktion zurück nach Europa sei unrealistisch, bei der Problematik der Lieferketten müsse mehr auf Diversifizierung geachtet werden, Abrechnungs- und Preismodelle müssten modifiziert werden und weniger allein auf die Kostenreduktion fixiert sein. Es müsse an verschiedenen Stellschrauben gedreht werden – und das mit gemeinsamer Anstrengung.

Dirk Janssen, Vorstand des BKK-Landesverbands Nordwest, brachte ein Frühwarnsystem, das entstehende gesundheitliche Problemlagen und den damit verbundenen erhöhten Medikamentenbedarf vorher erkennt, ins Gespräch. »In ein solches System«, so Janssen, »müssen sowohl Verordnungsdaten als auch Daten zur Entwicklung von Krankheiten einfließen«. Derzeit lägen diese Daten viel zu spät vor, um sie nutzen zu können.

»Prävention ist der Game Changer«

Auch die Option einer Medikamentenreserve, zumindest für die »kritischen« Wirkstoffe, wurde thematisiert. »Es geht dabei um Daseinsvorsorge, nicht um Luxus«, so Apotheker Thomas Preis, »und das ist Aufgabe des Staats.« Ob dieser nicht zur Bevorratung entsprechende Medikamentenmengen aufkaufen müsse, um drohende Lieferengpässe für 90 bis 120 Tage zu überbrücken, fragte Professor Grönemeyer die Experten. Hubertus Cranz sieht das allerdings nur als die zweitbeste Lösung an. »Denn wenn die Voraussetzungen stimmen, regelt das der Markt. Allerdings muss man Arzneimittel-Herstellern auch die Möglichkeiten geben, ihrer Arbeit auskömmlich nachzugehen.«

Abseits von politischen Regelungen und ökonomischen Zwängen beleuchtete Professor Grönemeyer die Möglichkeiten, die Menschen selbst für sich nutzten können: »Ich bin der festen Überzeugung: Prävention ist der Game Changer in der Medizin. Auch in diesem Fall«, sagte er und fand große Zustimmung in der Runde. Die Stärkung der Gesundheitskompetenz des Einzelnen ebenso wie die Stärkung der Eigenverantwortung sei eine wichtige Maßnahme. Gleiches gelte für einen verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika. Vor der Verordnung eines Antibiotikums sollte möglichst gründlich die Frage geklärt sein, ob tatsächlich ein Infekt durch Bakterien vorliege. Schließlich gelte bei der Behandlung immer die Devise: von leicht zu schwer. In der Folge sollte die Antibiotikabehandlung so kurz wie nötig beibehalten werden.

»Wir müssen die medizinische Aufklärungsarbeit für Familien stärken, da müssen wir uns noch mehr anstrengen«, forderte Professor Flösser vom Kinderschutzbund. Sie wünsche sich, dass »eine Generation heranwächst, die mit sich selbst kompetent umgehen kann, in der Gesundheit, im Denken, im Fühlen.« Zudem sieht sie einen Wandel im medizinischen System als notwendig an: »Neben einer kurativen Medizin wünsche ich mir ein System, das auf das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen ausgelegt ist.«

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