Erstmals schwere Myositis mit CAR-T-Zellen behandelt |
Theo Dingermann |
17.02.2023 11:00 Uhr |
Der 41-jährige Patient dachte erst, er litt unter einem Virusinfekt. Dann verschlechtert sich sein Gesundheitsstand dramatisch und er konnte sich kaum noch fortbewegen (Symbolbild). / Foto: Getty Images/Tharakorn
Bei den Myositiden handelt es sich um eine heterogene Gruppe von Muskelentzündungen, die unter anderem durch Autoimmunreaktionen hervorgerufen werden können. Eine Form der Autoimmunmyositis ist das sogenannte Antisynthetase-Syndrom, das durch Autoimmunattacken gegen Aminoacyltransfer-RNA-Synthetasen (anti-ARS) verursacht wird. Aminoacyltransfer-RNA-Synthetasen sind die Enzyme, die Transfer-RNA (tRNA) hochspezifisch mit den jeweils korrekten Aminosäuren beladen, sodass diese dann im Rahmen der Proteinbiosynthese an den Ribosomen nach den Vorgaben der Nukleotid-Abfolge in der mRNA zu Proteinen aneinandergereiht werden.
Schwere Formen der Muskelentzündung können mitunter sogar tödlich verlaufen, wenn sie zu spät erkannt werden, wenn die Patienten nicht adäquat medikamentös behandelt werden oder wenn bei den Patienten die Therapie nicht oder nicht mehr anspricht. Ein solcher Fall wurde jetzt erstmals erfolgreich am Uniklinikum der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg mit Hilfe einer CAR-T-Zelltherapie behandelt. Die Beschreibung des Falls wurde im »The Lancet« publiziert.
Zu dem schweren Eingriff entschlossen sich die Erlanger Kliniker unter Leitung von Professor Dr. Georg Schett, Direktor der Medizinischen Klinik 3 (Rheumatologie und Immunologie), und Professor Dr. Andreas Mackensen, Direktor der Medizinischen Klinik 5 (Hämatologie und Internistische Onkologie), nachdem sich der Gesundheitszustand eines 41-jährigen männlichen Patienten, der an einem Antisynthetase-Syndrom litt, plötzlich verschlechterte. Zum Schluss ließ sich auch mit Rituximab und intravenösem Cyclophosphamid keine Remission mehr erreichen.
CAR-T-Zellen sind körpereigene Immunzellen, die nach ihrer Entnahme aus dem Blut mit einem zusammengesetzten (chimären) Antigenrezeptor (CAR), der ein wichtiges Protein (CD19) auf der Oberfläche von B-Zellen erkennt, ausgestattet werden.
Die CAR-T-Zellen wurden durch Einschleusen eines lentiviralen CD19-CAR-Vektors in die isolierten T-Zellen des Patienten ex vivo hergestellt. Der Patient erhielt dann 1 × 106 der für ihn hergestellten CAR-T-Zellen pro kg Körpergewicht reinfundiert.
Danach stieg die Zahl der CAR-T-Zellen beim Patienten stark (>600-fach) an, um dann auch wieder schnell abzunehmen. Mit Hilfe des neu eingeführten modifizierten T-Zellrezeptors töteten die infundierten T-Zellen gezielt die krankheitsauslösenden B-Zellen ab. Für einen Zeitraum von 100 Tagen waren diese Zellen nahezu vollständig abgereichert, bildeten sich danach aber wieder kontinuierlich auf ein normales Maß zurück.
In der Lancet-Publikation berichten die Erlanger Kliniker, dass sich nach der Therapie der Gesundheitszustand des Patienten dramatisch verbesserte. »Die Entzündung in den Muskeln, den Lungen und den Gelenken bildete sich vollständig zurück. Kraft, Leistungsfähigkeit und Ausdauer kamen zurück«, sagt Dr. Fabian Müller, Erstautor der Publikation und betreuender Arzt des Patienten, in einer Pressemitteilung der Universität. Da der Patient auch alle seine Medikamente absetzen konnte, gilt er nun sechs Monate nach der CAR-T-Zelltherapie als vollkommen von seiner Autoimmunerkrankung genesen.