Ersthelfer für die Seele |
Laien können lernen, in schwierigen Momenten nicht sprachlos zu sein – und Betroffenen den Weg aus der Krise zu erleichtern. / © Getty Images/Fiordaliso
Wo hört Alltagsstress auf und wo beginnt eine Erkrankung? Antworten geben sogenannte MHFA-Kurse (Mental Health First Aid). Sie vermitteln Laien Grundlagen im Umgang mit psychisch belasteten Menschen – ähnlich wie ein Erste-Hilfe-Kurs nach einem Unfall, nur für die Seele.
Das Konzept entstand 2000 in Australien: Der Psychologieprofessor Anthony Jorm und die Pädagogin und Krankenschwester Betty Kitchener entwickelten ein Schulungsprogramm, das Laien befähigt, Menschen mit psychischen Problemen initial zu helfen. 2019 brachte das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim die Schulungen nach Deutschland. Das ZI ist ein Krankenhaus für psychische Erkrankungen und eine Forschungseinrichtung der Psychiatrie und Psychotherapie.
In MHFA-Ersthelfer-Kursen vermitteln Fachleute, meist Psychologen oder Psychotherapeuten, Grundlagen zu häufigen psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Psychosen, wie sich typische Symptome psychischer Erkrankungen zeigen – und wie man reagieren kann. Ziel für die Ersthelfer ist es, Sicherheit im Handeln zu gewinnen, in dem sie zuhören, stabilisieren, nächste Schritte anbahnen.
Gerade »Angehörige psychisch erkrankter Menschen erleben sich im Alltag häufig ohnmächtig, überfordert oder allein gelassen – insbesondere in akuten Krisensituationen«, sagt Sabrina Weidenbacher vom Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen.
Der Kurs kann Angehörige dabei unterstützen, Selbstsicherheit zu entwickeln und die eigene Rolle bewusster wahrzunehmen, so Weidenbacher: »Ihnen hilft der Kurs, das vorhandene Wissen zu strukturieren, Abstand zur oft emotional aufgeladenen Situation zu gewinnen und das eigene Verhalten zu reflektieren.«
Ersthilfe bedeutet nicht, therapeutische Aufgaben zu übernehmen, sondern Handlungsbedarf zu erkennen, anzusprechen und Unterstützung zu geben – und zwar ohne die Angst, etwas falsch zu machen. Denn zuzuhören, offen zu fragen, Hilfe anzubieten – das ist in der Regel immer besser als nichts zu tun.
Ein solcher Kurs dauert zwölf Stunden und findet oft im Rahmen betrieblicher Prävention statt, daneben gibt es offene Kurse. Ein zentrales Kurs-Element ist demnach das Gespräch mit Betroffenen. Wie beginnt man es? Wie fragt man sensibel, ohne zu bedrängen?