Erster Wirkstoff bei Desmoidtumoren |
Sven Siebenand |
21.08.2025 09:00 Uhr |
Ein Desmoidtumor ist ein seltener, gutartiger Tumor, der aus Bindegewebe entsteht. Die Tumoren treten zum Beispiel im Bauchbereich auf. / © Adobe Stock/Henadzy
Desmoidtumoren sind seltene, lokal aggressiv wachsende gutartige Tumoren, die im Bindegewebe des Körpers entstehen. Pro Jahr werden in der EU schätzungsweise etwa 1300 bis 2300 neue Fälle diagnostiziert. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen 20 und 44 Jahren und Frauen erkranken zwei- bis dreimal häufiger als Männer, hieß es auf einer virtuellen Pressekonferenz von Springworks Therapeutics, einem biopharmazeutischen Unternehmen im Besitz von Merck KGaA. Desmoidtumoren können zu starken Schmerzen, funktionellen Einschränkungen, Einschränkung der Mobilität, Entstellung und starker, anhaltender Erschöpfung führen. Aufgrund ihrer unberechenbaren Natur und der hohen Rezidivrate, die sich erheblich auf die Lebensqualität der Betroffenen auswirken kann, gestaltet sich die Behandlung schwierig.
Am 18. August erfolgte nun die EU-Zulassung von Nirogacestat. Voraussichtlich Anfang des vierten Quartals 2025 wird die Markteinführung in Deutschland erfolgen. Der Wirkstoff darf als Monotherapie für die Behandlung erwachsener Patienten mit fortschreitenden Desmoidtumoren, die eine systemische Behandlung erfordern, zum Einsatz kommen. Die empfohlene orale Dosis beträgt 150 mg Ogsiveo zweimal täglich.
Nirogacestat ist ein reversibler und nicht-kompetitiver Inhibitor der γ-Sekretase, der die proteolytische Aktivierung des Notch-Rezeptors blockiert. Der Notch-Signalweg spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung und beim Wachstum von Tumoren. Ursprünglich wurden Hemmer der γ-Sekretase übrigens als potenzielle Mittel bei Alzheimer gehandelt. Erst später hatte man den potenziellen Nutzen bei Desmoidtumoren entdeckt und näher untersucht.
Grundlage der EU-Zulassung von Ogsiveo sind Daten der Phase-III-Studie DeFi, in die 142 erwachsene Patienten mit fortschreitenden Desmoidtumoren eingeschlossen waren. Die Studie erreichte ihren primären Endpunkt einer Verbesserung des progressionsfreien Überlebens. Nirogacestat erzielte eine statistisch signifikante Verbesserung gegenüber Placebo: Das Risiko eines Fortschreitens der Erkrankung sank um 71 Prozent. Zudem führte die Behandlung mit dem neuen Wirkstoff zu einer signifikanten Verbesserung der objektiven Ansprechrate (41 versus 8 Prozent). Komplettremissionen traten zu 7 Prozent auf und waren unter Placebo Fehlanzeige. Des Weiteren erzielte Nirogacestat eine frühzeitige und anhaltende Verbesserung bei den Endpunkten, über die die Patienten selbst Auskunft gaben, einschließlich Schmerzen und allgemeiner gesundheitsbezogener Lebensqualität.
Die häufigsten beobachteten Nebenwirkungen sind Durchfall, Hautausschlag, ovarielle Toxizität bei Frauen im gebärfähigen Alter, Übelkeit, Fatigue, Hypophosphatämie, Kopfschmerzen und Stomatitis.