Erste Humanstudie mit CRISPR-editierten T-Zellen |
Theo Dingermann |
11.11.2022 09:00 Uhr |
Wir brauchen die T-Zellen unseres Immunsystems, um Krebszellen zu attackieren. Es wird an Techniken gearbeitet, die Abwehrzellen scharf zu schalten. / Foto: Getty Images/Science Photo Library/Thom Leach
Das Immunsystem zur Abwehr einer Tumorerkrankung zu aktivieren, gilt als Hoffnungsträger der moderenen Krebstherapie. Bereits gut etabliert ist der Einsatz von Immun-Checkpoint-Inhibitoren, die spezifische Funktionen des Immunsystems, die von einem Tumor inaktiviert wurden, wieder scharf stellen. Jetzt wird ein Ansatz vorgeschlagen, bei dem durch CRISPR-Genom-Editing die patienteneigenen T-Zellen verändert werden, um sie gezielt auf solide Tumore anzusetzen.
Prinzipiell können T-Zellrezeptoren Krebszellen über Neoantigene erkennen, die durch mutierte Genbereiche im Krebsgenom kodiert und deren Proteinprodukte dann auf der Oberfläche der Tumorzellen präsentiert werden. Zwar wurden auch bisher schon Therapiestrategien eingesetzt, die sich das Potenzial von Neoantigenen zunutze machen. Dazu zählen neben der Aktivierung von Antitumor-T-Zellen durch Immun-Checkpoint-Blockade auch die Verwendung von tumorinfiltrierenden Lymphozyten (TIL) im Rahmen eines adoptiven Zelltransfers (ACT) oder der Einsatz von krebsspezifischen Impfstoffen.
Es gibt aber auch die Möglichkeit, krebserkennende T-Zell-Rezeptoren zu selektionieren und zur Erzeugung therapeutischer T-Zellen zu verwenden, um so ein neues Therapieprinzip für therapieresistente Krebsarten zu etablieren.
Diesen Weg verfolgt ein Team um Dr. Susan P. Foy von PACT Pharma in South San Francisco, einem Unternehmen, das auf die Entwicklung von T-Zell-Therapien spezialisiert ist, zusammen mit mehreren US-amerikanischen akademischen Gruppen. Sie entwickelten einen Ansatz, bei dem sie das Genom-Editiersystem CRISPR-Cas9 verwenden, um krebsspezifische T-Zell-Rezeptoren in die T-Zellen von Krebspatienten einzufügen und so personalisierte Immunzellen gegen den Tumor der Patienten zu erzeugen. Ihre Daten publizierten die Forschenden jetzt in »Nature«.
Dazu entwickelten die Forschenden einen experimentellen Ansatz, der es erlaubt, effizient mehrere T-Zell-Rezeptoren zu isolieren. Diese erkennen spezifisch mutierte Peptide, die von jedem der sechs menschlichen Leukozyten-Antigene (HLA) der Klasse I eines Patienten präsentiert werden. Diese waren bisher aufgrund der großen Vielfalt der HLA-Klasse-I-Allele in der menschlichen Bevölkerung (es sind mehr als 24.000 Allele bekannt) und wegen der polymorphen Natur der großen Mehrheit der von T-Zellen erkannten Neoantigenstrukturen kaum erreichbar.
Der in dieser Arbeit publizierte Ansatz basiert auf personalisierten Bibliotheken mit hunderten von vorhergesagten Neoantigen-Peptidsequenzen, die von den HLA-Klasse-I-Allelen des jeweiligen Patienten präsentiert werden.
Die Forschenden isolierten aus den eigenen zirkulierenden T-Zellen des Patienten neoantigenspezifische T-Zell-Rezeptoren (neoTCR), wobei jeweils eine personalisierte Bibliothek mit löslichen, vorhergesagten Neoantigen-HLA-Fangreagenzien verwendet wurde.
Die auf diese Weise isolierten neoTCR wurden dann mittels CRISPR/Cas9 in T-Zellen der Patienten integriert, wobei gleichzeitig die beiden endogenen TCR-Gene TCRα (TRAC) und TCRβ (TRBC) deletiert wurden. In den ausgeschalteten TRAC-Loci der Patienten-T-Zellen wurden dann die beiden Ketten des neoantigenspezifischen T-Zell-Rezeptors durch das CRISPR/Cas9-Editiersystem eingefügt.
In einer klinischen Phase-I-Studie wurde dann 16 Patienten mit soliden Krebserkrankungen bis zu drei verschiedene Chargen gentechnisch veränderter T-Zellen verabreicht, die patientenspezifische neoTCR exprimieren, die wiederum Neoantigene erkennen, die auf den Tumoren der Patienten zu finden sind.
Die Behandlung führte bei fünf der 16 getesteten Patienten zu einer Stabilisierung der Tumorerkrankung, während bei den anderen elf die Krankheit weiter fortschritt. Nur zwei Patienten zeigten unerwünschte Reaktionen, die auf die T-Zell-Therapie zurückzuführen waren, während alle Patienten die erwarteten unerwünschten Wirkungen der begleitenden Chemotherapie zeigten.
Die Autoren weisen auf einige Einschränkungen ihres Ansatzes hin, wie den Zeitaufwand für die Charakterisierung potenzieller Antigene und die Isolierung, das Klonen und Testen von T-Zell-Rezeptoren sowie die unterschiedlichen Affinitäten der patientenspezifischen T-Zell-Rezeptoren zu den entsprechenden Antigenen.
Sie weisen aber auch darauf hin, dass es bei dieser Studie um den Nachweis der prinzipiellen Machbarkeit des Ansatzes ging und dass für viele Einzelschritten noch ein großes Optimierungspotenzial bestehe.