Erste Genschere aus Eukaryoten entdeckt |
Theo Dingermann |
05.07.2023 07:00 Uhr |
Ein CRISPR/Cas-analoges System, mit dem sich DNA gezielt verändern lässt, haben Forschende in Zellen höherer Lebewesen entdeckt. / Foto: Adobe Stock/Jacqueline Weber
Die Entdeckung des CRISPR/Cas-Systems zur gezielten Veränderung von DNA hat die Biotechnologie revolutioniert. Im Jahr 2020 erhielten die Professorinnen Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna für ihre Arbeit an dem System, das zum Immunsystem von Bakterien gehört, den Nobelpreis. Im Prinzip wird hier mithilfe einer Leit-RNA die Endonuklease Cas zu einer Zielsequenz in DNA-Molekülen geführt, wo sie diese dann schneiden kann. Professor Dr. Feng Zhang vom McGovern Institut für Brain Research am MIT und dem Broad Institut am MIT und der Harvard-Universität war der Wissenschaftler, der die von Prokaryoten stammende CRISPR/Cas-Methode für den Einsatz bei Eukaryoten (Zellen mit Zellkernen) anpasste. Jetzt haben Forschende seiner Gruppe erstmals ein analoges System aus Eukaryoten identifiziert und charakterisiert. Diese bahnbrechenden Arbeiten wurden jüngst im Journal »Nature« publiziert.
Dr. Makoto Saito und Dr. Peiyu Xu hatten zusammen mit Kollegen aus der Arbeitsgruppe von Zhang im Rahmen der Erforschung der Evolution von Cas-Endonukleasen durch Strukturhomologie-Analysen »Fanzor« (Fz) als potentiell RNA-gesteuerte Nuklease identifiziert. Zwischenzeitlich identifizierte das Team mehrere Fz-Analoga aus einer Reihe von Eukaryoten, darunter aus Pilzen, Algen, Amöben und Hartmuscheln. Eines dieser Systeme stellen sie in ihrer Publikation genauer vor.
Fanzor wurde ursprünglich bereits 2013 als Teil eines eukaryotischen Transposons, also eines sogenannten springenden DNA-Elements, beschrieben. Vor zwei Jahren gelang es dann dem Arbeitskreis von Zhang, eine Klasse von RNA-programmierbaren Systemen in Prokaryoten namens OMEGA (Obligate Mobile Element-guided Activity) zu identifizieren, die wie Fanzor mit transponierbaren Elementen verknüpft waren. Die Forschenden vermuten, dass OMEGAs eine Vorstufe der CRISPR/Cas-Systeme sind.
Um die Annahme zu testen, dass Fanzor eine RNA-geführte Endonuklease ist, führten die Forschenden sogenannte »RNA-Pull-Down«-Experimente aus, um RNA zu isolieren, die an Fanzor bindet und die zusammen mit diesem Enzym ein integraler Bestandteil eines Genom-Editiersystems sein könnte. Tatsächlich ließ sich eine solche RNA isolieren. Diese kodiert interessanterweise auch innerhalb des Fz-Locus.
Die Forschenden konnten zeigen, dass der Komplex aus Fanzor und der identifizierten Leit-RNA eine DNA zerschneidet, wobei die 3′-terminale flankierende Sequenz der RNA als Leitsequenz fungiert. Schließlich gelang es auch, die Fanzor-Spezifität so umzuprogrammieren, dass sie in humanen Zellen das Genom spalten kann. Fanzor konnte ähnlich wie CRISPR/Cas auch Insertionen und Deletionen an gezielten Stellen des menschlichen Erbguts erzeugen.