Erste CRISPR/Cas9-Gentherapie in der EU zugelassen |
Daniela Hüttemann |
13.02.2024 16:30 Uhr |
Bei Patienten mit Sichelzellerkrankung oder Beta-Thalassämie ist das sauerstofftransportierende Hämoglobin fehlgefaltet. Durch die Gentherapie wird das Gen für die stillgelegte fetale Hämoglobin-Variante wieder aktiv. / Foto: Getty Images/Science Photo Library/Nemes Laszlo
Exa-cel ist die erste und bislang einzige Gentherapie, die für Patienten mit schwerer Sichelzellerkrankung (SCD) oder transfusionsabhängiger Beta-Thalassämie (TDT) in der EU (bedingt) zugelassen wurde – und überhaupt die erste Therapie, die auf der Genschere CRISPR/Cas9 basiert.
Dafür werden den Patienten die eigenen Stamm- und Vorläuferzellen entnommen und ex vivo mit dem Präparat behandelt, bevor sie rückinfundiert werden. Dabei wird die erythroid-spezifische Enhancer-Region des BCL11A-Gens durch einen präzisen Doppelstrangbruch editiert. Dadurch wird ein Gen aktiviert, das normalerweise nach der Geburt stillgelegt wird: Durch den Schnitt wird wie beim ungeborenen Kind wieder die fetale Hämoglobin-Variante (Hämoglobin F) in den roten Blutkörperchen produziert. Sie soll die bei den erblich bedingten Erkrankungen deformierte Hämoglobin-Varianten ersetzen. So kann wieder genügend Sauerstoff im Blut transportiert werden.
»Sichelzellkrankheit und Beta-Thalassämie stellen schwere, angeborene Störungen der Blutbildung dar«, erläutert Professor Dr. Roland Meisel, Leiter der Pädiatrischen Stammzelltherapie am Universitätsklinikum Düsseldorf, in einer Pressemitteilung von Casgevy-Produzent Vertex Pharmaceuticals. »Patientinnen und Patienten mit schwerer Verlaufsform einer Sichelzellkrankheit erleiden häufig extrem schmerzhafte vasookklusive Krisen, Blutgefäßverschlüsse und chronische Schädigungen lebenswichtiger Organe.« Diejenigen wiederum mit schwerer Beta-Thalassämie seien ein Leben lang alle drei bis fünf Wochen auf
Bluttransfusionen angewiesen, die zu einer Eisenüberladung führen und so schwere Schäden an Leber, Herz und endokrinen Organen verursachen können.
»Die hohe Krankheitslast sowie die unerlässliche Therapie stellen eine enorme Hürde für ein normales Leben dar. Zudem ist die Lebenserwartung bei beiden Erkrankungen um Jahrzehnte verkürzt«, so Meisel weiter. Die einzige kurative Therapieoption bestand bislang in einer allogenen Stammzelltransplantation. »Leider stehen für die Mehrzahl der Patientinnen und Patienten keine gut passenden Spender zur Verfügung und immunologisch bedingte Komplikationen wie Transplantat-Abstoßung und Spender-gegen-Empfänger-Erkrankung, die schwerwiegend und auch lebensbedrohlich verlaufen können, sind ein erhebliches Risiko«, so der Experte.
In Studien konnte nachgewiesen werden, dass Exagamglogen autotemcel vasookklusive Krisen bei Patienten mit Sichelzellerkrankung oder Beta-Thalassämie verhindert und den Transfusionsbedarf bei den Beta-Thalassämie-Patienten verringert. Die Gentherapie setzt am Grundmechanismus beider Erkrankungen an und lässt auf eine dauerhafte Heilung hoffen, wobei hier die Langzeitdaten über Jahrzehnte abgewartet werden müssen.
Nach Angaben von Vertex Pharmaceuticals kommen in der Europäischen Union mehr als 8000 Personen potenziell für diese gentherapeutische Behandlung infrage. »Unser Ziel ist es nun, diese Zulassung schnellstmöglich in einen echten Nutzen für Patientinnen und Patienten umzusetzen und den Zugang sowie die Kostenerstattung weltweit sicherzustellen«, versichert Vertex-Geschäftsführer Dr. Reshma
Kewalramani. Das Unternehmen arbeite bereits eng mit den nationalen Gesundheitsbehörden zusammen. In Frankreich beispielsweise gebe es bereits ein Early-Access-Programm.
Stattfinden sollen die Behandlungen in Krankenhäusern, die Erfahrung mit Stammzelltransplantationen haben. Vertex will ein Netzwerk mit etwa 25 unabhängig betriebenen, autorisierten Behandlungszentren in ganz Europa aufbauen.