Erst das Apothekenteam, dann die Patienten schulen |
Daniela Hüttemann |
05.11.2024 16:28 Uhr |
© Adobe Stock/Olaf Gedanitz
In Deutschland sind mehr als 30 Inhalator-Typen auf dem Markt. Der wohl am häufigsten verschriebene ist der Easyhaler® von Orion Pharma, den es mit verschiedenen Wirkstoffen befüllt gibt. Daher hat die ABDA zusammen mit einem Expertengremium nun das erste Video ihrer neuen Schulungsreihe zu diesem Inhalator-Typ veröffentlicht. Alle paar Wochen sollen sukzessive weitere Videos mit anderen Devices folgen. Zusätzlich wird es zwei Videos zur Ansprache und Didaktik geben.
Der Abstand ist bewusst so gewählt, damit die Apothekenteams Zeit haben, sich mit Inhalator für Inhalator zu beschäftigen – jeder zu einem für ihn passenden Zeitpunkt, am besten mit abschließender Besprechung im Team. Die Videos sind kurz und kompakt gehalten und dauern maximal zehn Minuten. Zusätzlich gibt es ein ausführliches Skript mit ergänzenden Informationen, auch zu den jeweils erhältlichen Präparaten.
Anlässlich der Veröffentlichung des ersten Videos der neuen Schulungsreihe erläuterten am Montagabend im Rahmen der digitalen Fortbildungsreihe »pDL Campus live« die an Konzeption und Dreh beteiligten Apothekerinnen, Apotheker und PTA das optimale Vorgehen bei der pharmazeutischen Dienstleistung »erweiterte Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung mit Üben der Inhalationstechnik« und häufige Fehler, die Patienten bei der Anwendung ihres Inhalators machen. Beim Easyhaler sind dies beispielsweise fehlendes Schütteln vor der Anwendung und dass der Inhalator während der Inhalation nicht gerade gehalten wird.
Die Referenten betonten: Die neuen Videos, auch wenn frei zugänglich, sind explizit für die Schulung des Apothekenteams gedacht – nicht, um sie den Patienten vorzuführen. Zum einen gibt es dafür bereits Videos der Deutschen Atemwegsliga. Zum anderen reiche das reine Ansehen eines Videos nicht aus. Es komme auf das praktische Üben an, mit Unterstützung einer pharmazeutischen Fachkraft, die individuell auf den Patienten und seine Probleme eingeht.
Eine Auswertung von 258 durchgeführten pDL aus zwölf Apotheken hatte kürzlich ergeben, dass selbst nach der ersten Erklärung und Demonstration immer noch 83 Prozent der Patienten mindestens einen Fehler bei der Anwendung machen – im Schnitt drei pro Inhalation. Erst die eigene Durchführung mit Erklärungen und Korrekturen durch Apotheker oder PTA verbesserten die Anwendung deutlich.
»Die häufigsten Fehler: Alles, was mit Atmen zu tun hat«, fasste Dr. Nina Griese-Mammen von der ABDA zusammen. Richtig ist: vor der Inhalation erst einmal vollständig ausatmen, korrekt einatmen (wie stark und zügig ist abhängig vom Device) und Anhalten der Luft nach der Inhalation. Dabei seien sich die meisten Patienten ihrer Fehler nicht bewusst gewesen – vor allem bei Folgeverordnungen, also bei Patienten, die ihr Device eigentlich schon kannten und erstgeschult gewesen sein sollten.
Zudem mangele es häufig an der Koordination, vom Herauslösen der Inhalationskapsel aus dem Blister über mangelnde Kraft beim Auslösen und zu geringes Atemzugsvolumen bis zu einem mangelhaften Timing. Dabei liege der Fehler nicht immer nur beim Patienten, betonte der Arzneiformen-Experte Dr. Wolfgang Kircher. »Wir haben da eine wichtige Funktion, Schwächen des Arzneimittels zu kompensieren.«
Erst durch die intensive Schulung profitieren die Patienten wirklich von ihrem Device. »Sie sollten vor allem immer dann schulen, wenn Sie das Gefühl haben, irgendetwas läuft hier schief; wenn der Patient beispielsweise auffällig häufig einen Reliever braucht, regelmäßig Cortison einnehmen muss oder von einer Exazerbation erzählt – und vor allem auch bei einem rabattvertragsbedingten Austausch«, riet der Lungenfacharzt Dr. Frank Rommelmann den Apothekern und PTA.
Falls sie bei der Schulung feststellten, dass trotzdem immer noch Fehler passieren, könnten und sollten sie den Arzt darauf hinweisen. »Fassen Sie sich dabei kurz und schlagen Sie Alternativen vor«, wünschte sich der niedergelassene Pneumologe. Viele Ärzte hätten keinen Überblick über die verschiedenen Devices und ihre feinen Unterschiede.
Auch dafür soll die neue Videoreihe fit machen. So haben die verschiedenen Pulverinhalatoren beispielsweise unterschiedliche Widerstände. »Der Patient muss beim Einatmen etwas merken und Sie etwas hören – wie bei einem Staubsauger«, erklärte Apotheker Dr. Eric Martin. Bei einem niedrigen Widerstand brauche der Patient einen höheren inspiratorischen Atemfluss, damit das Pulver optimal dispergiert wird – er spüre vielleicht nichts, es wirke dann aber häufig auch nicht. »Bei hohem Widerstand des Devices mag es dem Patienten schwerer erscheinen, dafür reicht ein niedrigerer Atemfluss.« Bestünden Zweifel, ob der Patient für einen Pulverinhalator genügend Atemfluss mitbringt, sollte dies gemessen werden und gegebenenfalls auf ein Dosieraerosol (plus Spacer) umgestellt werden.
Die Experten betonten, es sei für das Apothekenteam unabdingbar, sich mindestens zwei Dummys von jedem Gerät, das häufig in der eigenen Apotheke abgegeben wird, zu besorgen – eines, um es dem Patienten zu demonstrieren und eines für die Anwendung durch den Patienten selbst. Mit etwas Hartnäckigkeit seien diese problemlos zu bekommen.
Ist ein Patient gut eingestellt und geschult, sollte sein Device übrigens nicht rabattvertragsbedingt ausgetauscht werden. Hat die Arztpraxis kein Aut-idem angekreuzt, sollte die Apotheke pharmazeutische Bedenken anmelden. Er habe deshalb bislang nie eine Retaxierung bekommen, berichtete Martin.
Als pharmazeutischer Experte arbeitet er auch an der Nationalen Versorgungsleitlinie Asthma mit und betonte zum Schluss: »Es gibt keine andere Intervention mit weniger Aufwand, die mehr bewirkt als diese pharmazeutische Dienstleistung. Wir können die ausgefuchstesten Leitlinien und besten Arzneimittel haben – das bringt alles nichts, wenn der Patient sein Device falsch herum hält.«