Erhöhtes Schlaganfallrisiko unter MCP und Domperidon |
Annette Rößler |
24.03.2022 10:30 Uhr |
Nach dem Start einer Therapie mit MCP oder Domperidon ist das Schlaganfallrisiko erhöht. Das haben jetzt französische Forscher festgestellt. / Foto: Getty Images/Andrew Brookes
Im »British Medical Journal« hat eine Forschergruppe um Anne Bénard-Laribière vom französischen Forschungsinstitut INSERM jetzt die Ergebnisse einer Beobachtungsstudie veröffentlicht, in der sie den Zusammenhang zwischen der Anwendung eines antidopaminergen Antiemetikums (ADA) und einem ischämischen Schlaganfall untersucht hatte. Hintergrund sei das bekannte Risiko für solche Schlaganfälle unter der Anwendung von antipsychotisch wirkenden Antagonisten am Dopamin-D2-Rezeptor gewesen, berichten die Autoren. Im ersten Monat einer solchen Therapie sei das Schlaganfallrisiko bis zu zwölffach erhöht, vor allem bei älteren Menschen und Demenzpatienten, sinke dann wieder ab und erreiche erst nach drei Monaten wieder das Ausgangsniveau.
ADA blockieren ebenfalls den Dopamin-D2-Rezeptor, sind aber mit Ausnahme von MCP kaum ZNS-gängig. Sie wirken direkt auf die Chemorezeptoren-Triggerzone des Brechzentrums, die noch außerhalb der Blut-Hirn-Schranke liegt. Die Überlegung, dass auch eine periphere Wirkung etwa auf die versorgenden Blutgefäße des Gehirns das Schlaganfallrisiko erhöhen könnte, und die große Bedeutung der ADA etwa zur Behandlung von Patienten mit Migräne und Chemotherapie-induzierter Übelkeit und Erbrechen, waren der Anlass für die Studie.
Die Autoren werteten die Datenbank der landesweiten Krankenversicherung Système National des Données de Santé (SNDS) aus. Sie identifizierten 2612 Patienten, die zwischen 2012 und 2016 erstmals einen ischämischen Schlaganfall erlitten hatten und in den 70 Tagen davor MCP, Domperidon oder das in Deutschland nicht verfügbare ADA Metopimazin erhalten hatten. Die Erstverordnung war entweder in den 14 Tagen vor dem Schlaganfall erfolgt (Risikoperiode) oder innerhalb von drei anderen sogenannten Referenzperioden. Diese hatten einen größeren zeitlichen Abstand zu dem Schlaganfall als die Risikoperiode, nämlich die Tage 70 bis 57, die Tage 56 bis 43 beziehungsweise die Tage 42 bis 29 davor.
Von den Schlaganfallpatienten hatten 1250 ein ADA innerhalb der Risikoperiode erhalten und 1060 in einer der Referenzperioden. Diese Patienten verglichen die Autoren mit 5128 beziehungsweise 13.165 Kontrollen, die ebenfalls in den entsprechenden Perioden ADA erhalten hatten, aber keinen Schlaganfall erlitten hatten. Sie berücksichtigten dabei das Alter und das Geschlecht der Teilnehmer sowie bekannte Risikofaktoren für Schlaganfall.
Letztlich stellten sie fest, dass das Schlaganfallrisiko innerhalb von 14 Tagen nach Beginn einer ADA-Therapie um das Dreifache erhöht war (adjustierte Odds Ratio 3,12). Am stärksten war der Risikoanstieg bei den beiden ZNS-gängigen Substanzen Metopimazin (adjustierte OR 3,62) und MCP (adjustierte Odds Ratio 3,53). Sensitivitätsanalysen ergaben, dass das Risiko in den ersten Tagen der Anwendung am höchsten war.
Die Autoren betonen, dass ein Kausalzusammenhang nicht hergestellt werden könne, da es sich um eine Beobachtungsstudie gehandelt habe. Dennoch deute das Ergebnis darauf hin, dass die Anwendung von ADA mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko einhergehe. Dass die beiden Arzneistoffe, die die Blut-Hirn-Schranke überwinden können, mit einem stärkeren Risikoanstieg assoziiert waren, lasse einen zentralen Effekt als Auslöser vermuten. In Betracht komme etwa eine Beeinflussung des zentralen Blutflusses.