Erfolgreich in die Selbstständigkeit starten |
Laura Rudolph |
01.07.2025 10:00 Uhr |
Teilten ihre Erfahrungen und ihr Wissen (von rechts): Sebastian Pohlmann, Dr. Katharina Freischlad, Kathrin Luboldt, Philipp Bayerschen, Dr. Niklas Huber, Vanessa de Vries, Martin Bechtold und Silke Wolff. Moderiert hat PZ-Redakteurin Laura Rudolph (links). / © AVNR/Alois Müller
Um eine Apotheke erfolgreich zu übernehmen oder zu gründen, braucht es weit mehr Fähigkeiten, als sie im Studium oder dem PJ vermittelt werden. Aus diesem Grund luden auch in diesem Jahr die Apothekerkammer (AKNR) und der Apothekerverband Nordrhein (AVNR), die Deutschen Apotheker- und Ärztebank, die Treuhand Hannover Steuerberatung und Wirtschaftsberatung für Heilberufe GmbH sowie die ARZ Service GmbH zum Existenzgründer-Workshop ein.
Nach den Grußworten von AKNR-Vizepräsidentin Kathrin Luboldt blickte Dr. Katharina Freischlad, Vorstandsmitglied des AVNR, auf die aktuelle Situation der öffentlichen Apotheken. Erstmals sind diese in einem eigenen Kapitel im Koalitionsvertrag berücksichtigt. Neben der geplanten Honorarerhöhung und der Aufhebung des Skonto-Verbots soll auch die Gesundheitsprävention gestärkt werden.
»Am Beispiel des Konzepts Pharmacy first in Großbritannien lässt sich zeigen, wie auch Apotheken in Deutschland bei leichteren Beschwerden als erste Anlaufstelle im Gesundheitswesen eingebunden werden können«, sagte Freischlad. Dies sei auch insofern relevant, als die Zahl der pflegebedürftigen Menschen zukünftig rasant ansteigen werde. Auch mit einem Ausbau der pharmazeutischen Dienstleistungen und des Impfangebots könnten sich Apotheken weiterentwickeln.
Der Existenzgründer-Workshop war gut besucht. / © AVNR/Alois Müller
Die Frage, ob sie sich auch in der heutigen Zeit wieder selbstständig machen würde, beantwortete die Apotheker mit einem Ja: »Es bedeutet Freiheit, Unabhängigkeit und Vielfalt – aber auch Druck, Verantwortung und Zeitaufwand.«
Einen persönlichen Einblick, warum er sich nach jahrelanger Tätigkeit außerhalb der Offizin dafür entschieden hat, eine Apotheke zu übernehmen, gab der Existenzgründer Dr. Niklas Huber. Nach dem Pharmaziestudium in Braunschweig und anschließender Promotion in Pharmazeutischer Technologie in Bonn war der Apotheker mehr als zehn Jahre in der pharmazeutischen Industrie tätig.
Jede Arbeitsstätte hat Vor- und Nachteile, betonte Huber. Was er an der Industrie nicht schätze, seien vor allem Fremdbestimmtheit und Druck »von oben und von unten« gewesen, der ihn als Arbeitnehmer in mittlerer Unternehmensposition betroffen habe. So entschloss sich Huber 2024, die Mohren Apotheke in Wuppertal zu übernehmen, »denn Leben heißt Veränderung«.
»Als Chef kann man Dinge selbst entscheiden, hat aber auch Verantwortung für seine Mitarbeiter«, sagte Huber. Er gab einige Tipps, was es vor dem Schritt in die Selbstständigkeit zu beachten gilt. »Man bindet beispielsweise sein Kapital. Und da muss man eine Familie haben, die mitspielt.« Der Apotheker riet, sich zur Unterstützung Netzwerke zu suchen: »Tun Sie sich kein Einzelkämpfertum an«.
Welche betriebswirtschaftlichen Aspekte Existenzgründer beachten sollten, erklärte die Rechtsökonomin und Wirtschaftsmediatorin Silke Wolff von der Treuhand Hannover. Die Steuerberatungsgesellschaft begleite mittlerweile jede dritte Apothekenübergabe in Deutschland.
Vor allem die Lage der Apotheke sei ein wichtiges Kriterium. Die Nähe von Ärzten – die bestenfalls noch lange praktizieren – spiele eine wichtige Rolle, ebenso die Konkurrenzsituation zu anderen Apotheken.
Der Kaufpreis werde nicht nur die aktuelle Marktlage beeinflusst, sondern auch durch die künftigen Gewinnaussichten. Neubaugebiete, ein neu eröffnetes medizinisches Versorgungszentrum oder Veränderungen in der Verkehrs- und Infrastruktur können sich positiv auswirken. »Rufen Sie ruhig mal bei der Kommune an und fragen, was geplant ist in den nächsten Jahren«, riet Wolff.
Schließlich betonte die Expertin, man für die Suche nach einer passenden Betriebsstätte und die Übernahme zwei bis drei Jahre Zeit einplanen sollte. Von hohen Kaufpreisen im Inserat solle man sich nicht abschrecken lassen. »Der zuerst aufgerufene Kaufpreis ist fast nie der, der am Ende dann auch gezahlt wird«, sagte Wolff. Beim Preis spiele auch das Verhandlungsgeschick und der Investitionsbedarf eine große Rolle.
Apropos Verhandlungsgeschick: Insbesondere über den sogenannten ideellen Wert der Apotheke lasse sich verhandeln, betonte Sebastian Pohlmann, Direktor Private Banking der Apobank-Filiale Düsseldorf. Bei der Ermittlung des materiellen Werts unterstützten öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.
»Die Grundlage einer Apothekengründung ist die sorgfältige Ermittlung des Kapitalbedarfs«, sagte der Finanzexperte. Im Beratungsgespräch mit der Bank werde unter anderem auch geklärt, ob Veränderungen an der Apotheke geplant sind, und anschließend wird ein Investitions- und Finanzierungsplan erstellt. Alle Investitionen müssen vorher auf ihre Rentabilität geprüft werden, denn »selbst die beste Finanzierung kann keine falsche Investitionsentscheidung wettmachen«, betonte Pohlmann.
Die hohe Inflation in den letzten Jahren schlug sich deutlich in den Gesamtinvestitionskosten nieder, die im Jahr 2023 bei durchschnittlich 763.000 Euro pro Apothekengründung oder -übernahme lagen. Sie erreichten damit einen neuen Höchststand, wobei die Spanne groß war. »Jeder zehnte Existenzgründer zahlte einen Übernahmepreis von bis zu 50.000 Euro, jeder siebte zahlt eine Million oder mehr.«
»Das Finanzamt ist in Deutschland der schlimmste Gläubiger, den es gibt«, sagte Philipp Bayerschen, Steuerberater bei der Treuhand Hannover, mit einem Schmunzeln. Damit es am Zahltag nicht zu bösen Überraschungen komme, müsse die notwendige Höhe der Steuervorauszahlungen gut abgeschätzt werden. Gerade im ersten Betriebsjahr sei dies – ohne Vorerfahrung – sehr schwierig. Daher sei ein Steuerberater essenziell. Er kann bereits vor dem ersten Betriebstag die später fällige Gewerbe- und Einkommensteuer schätzen.
Inhaber müssen aber auch selbst tätig werden und für die eigene Apotheke – am besten frühzeitig – eine Steuernummer beim Finanzamt sowie eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer beim Bundeszentralamt für Steuern beantragen. Ist das erste Wirtschaftsjahr vorbei, hilft der Steuerberater, die Jahresbilanz zu erstellen, auf deren Grundlage das Finanzamt die tatsächlich zu entrichtenden Steuern ermittelt.
Zu welchem Datum das Wirtschaftsjahr beginnt, ist flexibel wählbar. Bayerschen gab den Tipp, es nicht mit dem Kalenderjahr gleichzusetzen, sondern beispielsweise im Juli beginnen zu lassen. Dadurch lässt sich die Einkommenssteuer einmalig nach hinten verschieben, da der Gewinn erst dann als bezogen gilt, wenn das Wirtschaftsjahr endet.
Wie die ARZ Service GmbH Haan den digitalen Wandel im Apothekenmarkt begleiten kann, erklärte Vanessa de Vries als Teamleiterin der Kundenbetreuung. Beispielsweise hat das Abrechenzentrum die Anwendung »ApoSync« entwickelt, welche die Verwaltung von AMK-Meldungen, Rückrufen und den Abgleich mit Bestandsware erleichtern soll. Ein neues Angebot ist überdies das Kundenterminal »id.EXPRESS«, für das die ARZ seit Januar mit Pharmagest, einem Anbieter von IT-Lösungen im Gesundheitsbereich, zusammenarbeitet.
Das Kundenterminal habe drei Funktionen, erklärte die Expertin. Per elektronischer Gesundheitskarte oder QR-Code können E-Rezepte erfasst werden. Die betreffenden Medikamente können reserviert werden und es gibt eine Verfügbarkeitsprüfung. Die Beratung erfolgt dann bei der Abgabe durch das pharmazeutische Personal. Außerdem können am Terminal OTC-Produkte ausgewählt und am HV-Tisch abgeholt werden oder per Botendienst geliefert werden. Bestimmte Produkte aus dem Freiwahlbereich können außerdem direkt am Gerät bezahlt werden.
Wichtig: »Das Terminal ist kein Ersatz für Arbeitskräfte, aber es ist ein Zusatznutzen«, betonte de Vries. Insbesondere zu Stoßzeiten könne das Gerät die Wartezeit verkürzen.