Epigenetik schützt das Kind |
| Laura Rudolph |
| 07.11.2025 14:00 Uhr |
Die Methylierungsmuster an der DNA wirken sich darauf aus, wie aktiv die betroffenen Gene sind. Dies kann auch das Diabetesrisiko beeinflussen. / © Adobe Stock/Darika
Das Risiko, an Typ-1-Diabetes (T1D) zu erkranken, ist bei Personen, die einen Verwandten ersten Grades mit T1D haben, 8- bis 15-mal höher als bei Personen ohne Familienanamnese. Dieses Risiko variiert je nachdem, ob es sich dabei um die Mutter, Geschwister oder den Vater handelt. Dass Kinder von Müttern mit T1D innerhalb dieser Konstellation ein vergleichsweise niedriges Erkrankungsrisiko haben, ist seit Längerem bekannt. Bisher vermutete man als Ursache unter anderem die Weitergabe mütterlicher Antikörper über die Plazenta oder hormonelle Einflüsse während der Schwangerschaft.
Nun hat ein Forschungsteam um Dr. Raffael Ott vom Institut für Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München Hinweise darauf gefunden, dass epigenetische Mechanismen, konkret DNA-Methylierungen, eine zentrale Rolle spielen könnten. Die Ergebnisse seiner Studie veröffentlichte es kürzlich im Fachjournal »Nature Metabolism«.
Analysiert wurden Blutproben von 1752 Kindern, die an drei europäischen Kohortenstudien teilgenommen hatten: BABYDIAB, BABYDIET und dem Primary Oral Insulin Trial. Alle Kinder wiesen ein genetisch erhöhtes Risiko für T1D auf, wobei bei 790 von ihnen die Mutter erkrankt war. Zum Zeitpunkt der Blutentnahme waren die Kinder im Median etwa zwei Jahre alt. Um die Ergebnisse nicht zu verfälschen, berücksichtigte das Team Alter, Geschlecht, Blutzellanteile sowie technische Unterschiede bei der Probenverarbeitung.
»Unsere Analyse zeigt Unterschiede in der Methylierung zahlreicher genetischer Regionen bei Kindern von Müttern mit Typ-1-Diabetes, insbesondere im sogenannten HOXA-Gencluster sowie in der MHC-Region. Die MHC-Region gilt als wichtigstes Gen für die Anfälligkeit und dem Schutz gegenüber Typ-1-Diabetes. Zudem konnten wir bei diesen Kindern einen Zusammenhang zwischen epigenetischen Veränderungen und der Expression von 15 Risikogenen beobachten«, so der Erstautor in einer Pressemitteilung des Instituts.
Untersucht wurden mehr als 600.000 sogenannte CpG-Stellen – DNA-Abschnitte, an denen ein Cytosin direkt vor einem Guanin liegt. Diese Stellen sind bevorzugte Orte für Methylierungen, die die Aktivität von Genen beeinflussen können. Besonders häufig kommen CpG-Stellen in der Nähe von Genpromotoren vor, wo Gene ein- oder ausgeschaltet werden.
Insgesamt 566 CpG-Stellen waren bei Kindern von Müttern mit T1D anders methyliert als bei der Vergleichsgruppe. Meist waren sie hypermethyliert, was in der Regel bedeutet, dass die entsprechenden Gene weniger aktiv oder ganz abgeschaltet sind. Dies traf auf viele Genregionen zu, jedoch traten die Veränderungen besonders häufig an Immun- und Typ-1-Diabetes-Risikogenen auf.
Damit deuten die Ergebnisse darauf hin, dass der mütterliche Stoffwechselzustand während der Schwangerschaft gezielt epigenetische Modifikationen an Genen bewirkt, die für die Krankheitsanfälligkeit des Kindes besonders relevant sind, schlussfolgern die Forschenden.
In einem weiteren Schritt überprüfte das Team die Ergebnisse an einer Gruppe von Kindern, deren Mütter nicht an T1D erkrankt waren. Dafür entwickelten sie einen Methylierungs-Score, der 34 besonders auffällige Stellen im Erbgut berücksichtigte – allesamt in Verbindung mit bekannten T1D-Risikogenen.
Das Ergebnis: Kinder, die bereits frühe Anzeichen einer Autoimmunreaktion gegen die insulinproduzierenden Betazellen zeigten, hatten deutlich niedrigere Scores. Das deutet darauf hin, dass ihnen die schutzvermittelnden epigenetischen Veränderungen fehlen, die bei Kindern von Müttern mit Diabetes beobachtet wurden.
Das Forschungsteam plant nun ein Folgeprojekt, um weiter zu untersuchen, welche Risikogene durch den mütterlichen Diabetes epigenetisch beeinflusst werden – und ob ähnliche Effekte auch bei Schwangerschaftsdiabetes auftreten.