Entzündungen typisch beim Altern – aber nicht bei jedem |
Theo Dingermann |
02.07.2025 07:00 Uhr |
Alterserkrankungen wie Typ-2-Diabetes und Alzheimer kommen bei Menschen nicht industrialisierter Ethnien deutlich seltener vor. / © Getty Images/phynart studio
Im Laufe des Alterns nehmen systemische, chronisch-niedriggradige Entzündungen deutlich zu. Man geht sogar so weit, ein derartiges Entzündungsgeschehen als ein universelles Kennzeichen des Alterns anzusehen. Das scheint allerdings nicht immer zuzutreffen, wie eine neue Studie von Forschenden um Dr. Maximilien Franck von der University of Sherbrooke in Quebec, Kanada, zeigt.
Für ihre im Fachjournal »Nature Aging« veröffentlichte Untersuchung verglichen die Autoren inflammatorische Zytokin-Profile aus vier humanen Kohorten mit unterschiedlichen Lebensweisen. Sie replizieren dabei eine zuvor etablierte Inflammaging-Achse basierend auf 19 Zytokinen, darunter IL-1β, IL-6, IL-10, TNF, CRP und lösliche TNF(sTNF-)Rezeptoren. Diese Parameter bestimmten sie in der italienischen InCHIANTI-Kohorte und in einer industrialisierten, urbanen Kohorte aus Singapur (SLAS). Die beiden anderen Kohorten betrafen nicht industrialisierte indigene Gruppen, konkret die Tsimane aus dem bolivianischen Amazonasgebiet (THLHP), die als das gesündeste Volk der Welt gelten, und die Orang Asli aus Malaysia (OA HeLP).
Die Entzündungsparameter wurden in dieser Studie nicht direkt aus Blutproben ermittelt. Vielmehr stammen sie aus bestehenden Datensätzen für die jeweiligen Bevölkerungsgruppen.
Die Analysen der Forschenden ergaben, dass die Entzündungswerte bei der italienischen und singapurischen Gruppe mit zunehmendem Alter anstiegen und auch mit Krankheiten wie chronischer Nierenschwäche in Verbindung standen. Bei den beiden indigenen Gruppen hingegen nahmen die Entzündungen weder mit steigendem Alter zu noch führten sie zu Gesundheitsproblemen.
Das war überraschend. Auf der anderen Seite zeigt dieses Resultat, dass oft Störfaktoren vorhanden sind, die als solche gar nicht wahrgenommen werden. So basiert vieles, was man über die Biologie des Alterns zu wissen glaubt, auf Untersuchungen in wohlhabenden Ländern. Gesundheitsprobleme wie Alzheimer, Diabetes und Herzprobleme, die in solchen Ländern typischerweise altersassoziiert sind und mit Entzündungen im Zusammenhang stehen, sind jedoch bei indigenen Bevölkerungsgruppen selten.
In den beiden indigenen Gemeinschaften waren die Zytokinwerte zwar hoch, blieben aber mit steigendem Alter stabil. Die erhöhten Zytokinwerte könnten in den indigenen Populationen eine Reaktion auf häufigere Infektionen durch Parasiten, Bakterien oder Viren sein, diskutieren die Forschenden.
Zusätzlich untersuchte das Team, ob typische Einflussfaktoren wie der BMI, das Rauchen oder Marker für Infektionslast (Leukozytose, Eosinophilie) sich auf die Inflammaging-Scores auswirkten. In den industrialisierten Kohorten war der BMI ein starker Prädiktor für höhere Scores. Auch Rauchen zeigte eine Assoziation mit höheren Entzündungsmarkern. In den nicht industrialisierten Populationen hingegen war der BMI nicht signifikant mit Entzündungen assoziiert, und auch Eosinophilie, die als Marker für Helminthen-Infektionen interpretiert wurden, zeigten keine konsistente Assoziation, wohingegen Leukozytosen positiv mit Inflammaging-Scores korrelierten.