Engpassgesetz verfehlt Ziele |
Cornelia Dölger |
30.09.2024 17:14 Uhr |
»Zwar verfolgte das ALBVVG zu Beginn eine gute Idee. Aber wir sehen jetzt, dass es nicht so wirkt wie angekündigt«, kritisiert Andreas Burkhardt, Vorstandsvorsitzender von Pro Generika. / Foto: Teva Deutschland
Lange bevor das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die für Ende kommenden Jahres geplante Evaluation zum Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) startet, haben die Generikahersteller in Deutschland eine ernüchternde Bilanz gezogen: Das Lieferengpassgesetz hat demnach keins der Versprechen erfüllt, die die Versorgungslage bei Arzneimitteln entspannen sollten. Ihr Fazit: Das Engpassrisiko ist genau so hoch wie vorher.
Dabei stehen die Generikahersteller besonders im Fokus des Regelwerks, das im Sommer 2023 in Kraft trat. Sie sollen mit dem Lieferengpassgesetz entlastet werden. Als Maßnahmen bewarb das BMG etwa die Preislockerung bei Kinderarzneimitteln. Durch die Aufhebung der Festbeträge können die Unternehmen demnach für alle Medikamente, die auf einer beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geführten Liste stehen, ihre Preise einmalig um bis zu 50 Prozent des zuletzt geltenden Festbetrages beziehungsweise Preismoratoriums-Preises anheben. Überdies soll es künftig keine Rabattverträge für Kinderarzneimittel mehr geben.
Im Blick hat das BMG zudem den Produktionsstandort Deutschland und Europa. Herstellern von Antibiotika sowie von Krebsmedikamenten sollen Anreize geboten werden, sich dort wieder anzusiedeln. So sollen die Lieferketten vielfältiger werden. Europäische Hersteller müssen demnach bei Ausschreibungen berücksichtigt werden.
Ziel des Ganzen war und ist, die Engpasslage zu entschärfen und dafür den wirtschaftlichen Druck von den Generikaherstellern zu nehmen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte selbst von einer »Überökonominisierung« bei Generika gesprochen und kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes zuversichtlich prognostiziert, dass mit den neuen Vorgaben schon bald Schwung in die hiesige Arzneimittelproduktion käme.
Doch dem ist nicht so, wie der Verband Pro Generika nach einem Jahr ALBVVG bilanziert. Er hat seine Mitgliedsunternehmen dazu befragt. Deren Urteil ist eindeutig: Kein einziger Hersteller werde sich aufgrund der ALBVVG-Regeln dazu entschließen, wieder in Deutschland und Europa zu produzieren, so die einhellige Meinung. Vielmehr werde der anvisierte Produktionsausbau bei Antibiotika und Onkologika sogar gebremst, weil mit dem ALBVVG verschärfte Regeln zur Vorratshaltung einhergingen, die Kapazitäten binden würden und dazu führten, dass die Produktion teils nicht mehr wirtschaftlich sei.
Zudem gebe es bislang kaum Antibiotika-Ausschreibungen für EU-Firmen; es seien nur zwei Zuschläge an Hersteller mit europäischer Wirkstoffquelle vergeben worden, moniert der Verband.
Dass das BMG selbst zurückhaltend in puncto Bewertung reagiert, komme einem Eingeständnis gleich, dass die Maßnahmen nicht wirkten, so der Verband. Tatsächlich hatte das Ministerium auf eine Kleine Anfrage der CDU-Bundestagsfraktion nach dem Umsetzungsstand des ALBVVG schmallippig geantwortet und auf die ausstehende Evaluation verwiesen.
»Zwar verfolgte das ALBVVG zu Beginn eine gute Idee. Aber wir sehen jetzt, dass es nicht so wirkt wie angekündigt«, kritisiert Andreas Burkhardt, Vorstandsvorsitzender von Pro Generika. »Die Politik muss sich das eingestehen – und nachlegen.«