England verschärft Vorgaben für Onlineapotheken |
Cornelia Dölger |
16.04.2025 16:00 Uhr |
Dass Kunden lediglich einen Online-Fragebogen zu Gesundhei sfragen ausfüllen müssen, soll für britische Onlineapotheken nicht mehr ausreichend sein. / © Adobe Stock/ipuwadol
Wie das Onlineportal Pharmaceutical Journal berichtet, sollen neue Richtlinien der britischen Regulierungsbehörde General Pharmaceutical Council (GPhC) Vorgaben für die Onlineapotheken verschärfen. Das Journal zieht die Geschichte an einem britischen Patienten auf, der mit Mounjaro® abnehmen wollte. Schon nach kurzer Zeit bekam der Mann demnach Beschwerden, musste wegen Herzproblemen mehrmals in die Notaufnahme. Das Rezept für das Abnehmpräparat hatte er über eine Versandapotheke erhalten, dafür musste er lediglich einen Fragebogen ausfüllen und ein Video von sich auf einer Waage mitschicken.
Inzwischen setzt sich der Patient persönlich für strengere Vorgaben bei Abnehmpräparaten ein. Das Thema schreibt sich auch das GPhC auf die Fahnen. Die neuen Richtlinien sollen festlegen, dass Online-Anbieter vor dem Verkauf Prüfungen vornehmen müssen, etwa eine Videokonsultation oder eine Analyse der klinischen Aufzeichnungen eines Patienten, anstatt sich auf Onlinefragebögen zu verlassen.
Ob diese Richtlinien weit genug gehen, stellt das Pharmaceutical Journal allerdings infrage. Denn die jüngsten Verschärfungen sind nur die letzten einer Reihe von Anpassungen an den sich verändernden Markt. Geschuldet ist dies demnach dem Vormarsch und Erfolg der Onlineapotheken – deren Services zwar durchaus Vorteile haben könnten, etwa für die Versorgung im ländlichen Raum, sagt Roz Gittins, Chief Pharmacy Officer beim GPhC. Für die Regulierungsbehörden sei die Entwicklung aber eine Herausforderung.
Schon 2022 hatte das GPhC die Vorgaben für die Versender angepasst. Mehr Patientenschutz stand schon damals im Vordergrund. Eine Analyse des GPhC aus dem Oktober 2022 hatte belegt, dass Fragebögen als Grundlage unzureichend sind, zu lasche Überwachung und Regelung täten ihr Übriges.
Und die Bedenken bleiben, auch drei Jahre später. Allerdings gab es der Analyse des Pharmaceutical Journal zufolge auch Fortschritte. So hätten die vom GPhC inspizierten Onlineapotheken laut einer Erhebung zwischen April 2019 und März 2022 achtmal häufiger als stationäre Apotheken die GPhC Regulierungsstandards nicht erfüllt.
Eine Analyse jüngerer Inspektionsberichte zeige, dass von den 230 geprüften Versandapotheken 24 (10 Prozent) die Standards in den fünf Prinzipien Governance, Personal, Räumlichkeiten, Dienstleistungen und Ausstattung und Einrichtungen nicht erfüllten. Diese Zahl sei wiederum doppelt so hoch wie die Ausfallrate bei stationären Apotheken, von denen 91 von 2002 (5 Prozent) die Standards innerhalb der GPhC-Prinzipien nicht erfüllten.
Die meisten der Onlineapotheken, die durchfielen, scheiterten demnach an den Governance-Vereinbarungen. So kritisierten die Prüfer, dass die Arzneimittelrisiken vor dem Onlineverkauf oftmals nicht ausreichend geprüft wurden.
Darauf zielen eben die jüngsten Verschärfungen der GPhC ab, ausgelöst durch den Run auf die Abnehmpräparate und ihr Missbrauchspotenzial. Statt anhand von Fragebögen müssten Risiken durch persönliche Gespräche mit den Patienten überprüft werden. Videokonsultationen müssten verpflichtend sein. Die Apotheke müsse die bereitgestellten Informationen unabhängig prüfen.
Von den britischen Apothekenverbänden kam viel Zuspruch. Ashley Cohen, Vorstandsmitglied der National Pharmacy Association (NPA) begrüßte vor allem die unabhängige Überprüfung. Wing Tang, Leiter berufliche Standards bei der Royal Pharmaceutical Society (RPS), sieht es ähnlich. Solche Maßnahmen erhöhten die Patientensicherheit. »Fragebogenbasierte Verschreibungen sollten niemals zur Norm werden, insbesondere bei verschreibungspflichtigen Medikamenten und solchen mit zusätzlichen Risikofaktoren«, betonte er.
Der Pharmacists’ Defence Association (PDA) reicht das nicht. Sie fordert eine härtere Linie. So solle etwa der Zugang zu den Patientenakten im National Health Service (NHS) obligatorisch sein, wenn Abnehmmittel verschrieben werden. Die Vorgaben müssten strikter sein, sie seien in Teilen zu unklar und interpretationsfähig, so Jay Badenhorst, Direktor für Pharmazie bei der PDA.
Ihre Bedenken gegen die Verschärfung äußerte die Versandbranche umgehend. So zweifelte die Onlineapotheke Chemist4U bei Linked-In an, dass Patienten, die Abnehmmittel wollten, verpflichtende Videokonsultationen akzeptieren würden, bei denen sie aufstehen und ihren Körper zeigen müssten; schließlich hätten sie ihr Leben lang Probleme mit dem eigenen Körperbild gehabt.
Der eigentliche Test werde wohl in der Durchsetzung der Richtlinien liegen, wie das Pharmaceutical Journal mutmaßt. Das GPhD werde sich grundsätzlich breiter aufstellen und etwa weiter Testkäufer, »mystery shopper«, einsetzen, um die Einhaltung der Regeln zu überprüfen, kündigte Roz Gittins, Chief Pharmacy Officer beim GPhC, an. Frühe Erstinspektionen würden weiterhin durchgeführt, denn Ausfälle und Nichtbeachtung der Vorgaben träten bei Onlineapotheken in der Regel vor allem kurz nach deren Registrierung auf. Möglicherweise riskante Trends in Onlineapotheken werde die GPhD im Auge behalten.
Dass Kontrollen aufgrund rechtlicher Lücken umgangen werden könnten, etwa wenn Versandapotheken aus dem Ausland betrieben werden, kritisierte Wing Tang von der Royal Pharmaceutical Society (RPS). Diese »regulatorischen Schlupflöcher« seien ein Risiko für die Patienten und das Versorgungssystem.
Es müsse ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, wie riskant die Nutzung von nicht regulierten Apotheken sei, so Roz Gittins vom GPhD. Der NPA-Vorsitzende Nick Kaye ergänzte, dies sei um so wichtiger, da Apotheken eine größere Rolle in der Primärversorgung einnehmen wollten.