Engelhardt über Lauterbachs »Revolution« |
| Alexander Müller |
| 10.11.2023 15:00 Uhr |
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Heike Engelhardt diskutiert mit ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening und einer Delegation junger Apothekerinnen und Apotheker über die Zukunft der Arzneimittelversorgung. / Foto: ABDA
Knapp 40 junge Inhaberinnen und Inhaber sowie angestellte Approbierte aus dem gesamten Bundesgebiet hat die ABDA zur berufspolitischen Informationsveranstaltung nach Berlin eingeladen. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening, ihr Vize Mathias Arnold sowie Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz und dessen politischer Berater Ralf Denda klärten die Kolleginnen und Kollegen über die Strukturen und Wege der Positionsbestimmung und-vermittlung bei der ABDA auf sowie über die Möglichkeiten berufspolitischen Engagements. In Workshops wurde besprochen, wie sich der Berufsstand intern und extern mit den Liberalisierungsplänen von Minister Lauterbach auseinandersetzt.
Um diese umstrittene Idee der »Apotheke light« ging es selbstverständlich auch in der Diskussion mit der Abgeordneten Engelhardt, denn sie ist Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags. »Sie sind mit Leidtragende bei der großen Umgestaltung des Gesundheitssystems. Karl Lauterbach spricht da von einer Revolution«, sagte Engelhardt. Revolution sei vielleicht ein schwieriger Begriff, weil damit oft eine gewalttätige Auseinandersetzung assoziiert werde. »Aber es ist tatsächlich so, dass das komplette Gesundheitssystem auf den Kopf gestellt wird«, so die SPD-Abgeordnete.
Die Apothekerinnen und Apotheker machten der Politikerin in der Diskussionsrunde deutlich, dass mit den von Lauterbach geplanten Erleichterungen für Filialapotheken niemandem geholfen sei, im Gegenteil: Gerade auf dem Land würde die Versorgung damit weiter ausgedünnt. Wirtschaftlich benachteiligte Menschen in diesen Regionen ohne öffentlichen Nahverkehr könnten es sich schlicht nicht leisten, mit dem Taxi zur nächsten Apotheke zu fahren, die noch eine Rezeptur herstellt oder Notdienst leistet, sagte eine Teilnehmerin. Ein anderer sprach die Sozialdemokratin auf die rund 160.000 hauptsächlich von Frauen besetzten Arbeitsplätze an: »Wir haben einen Gesundheitsminister, der diese Arbeitsplätze plattmachen möchte.«
Engelhardt entgegnete: »Mein Gesundheitsminister ist Sozialdemokrat und hat nicht die Absicht, Arbeitsplätze plattzumachen.« Die sogenannten Light-Apotheken verstehe sie nur als ergänzendes Angebot. ABDA-Präsidentin Overwiening bat die Abgeordnete umgehend, sich dafür einzusetzen, dass hier in der Politik schärfer unterschieden wird. Über eine mögliche Stärkung der Zweigapotheken, von denen es derzeit elf in Deutschland gibt, könne man reden, um besonders dünn besiedelte Gebiete besser zu versorgen. An der Struktur von Haupt- und Filialapotheken dürfe aber nicht gerüttelt werden.
Ihr Vize Mathias Arnold, für die ABDA viel international unterwegs, ergänzte mit Blick auf die von Lauterbach geplante PTA-Vertretung, dass in keinem anderen Land versucht werde, auf eine »apothekerfreie Arzneimittelabgabe« hinzuwirken. Da sei der Minister »total auf dem Holzweg«.
Dass nicht alle Pläne, die aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) kommen, vorher mit den Zuständigen im Parlament abgestimmt werden, wurde in den Ausführungen Engelhardts deutlich. »Wir als Abgeordnete müssen uns mit der Arbeitsweise des Ministeriums arrangieren.« Aber es gelte immer noch das »Strucksche Gesetz«: Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hineinkommt.
Engelhardt ermunterte die jungen Apothekerinnen und Apotheker deshalb, sich einzubringen und ihre Abgeordneten anzusprechen – angesichts der Menge an Anfragen lieber einmal zu oft. Aber bitte nicht mit Massenmailings an alle Abgeordneten, sondern lieber im direkten Gespräch. Das helfe ihr persönlich immer bei der zentralen Frage: Sind wir noch auf dem richtigen Weg?
Sie persönlich würde auch den Versandhandel mit Arzneimitteln verbieten, den sie als kapitalistisches Modell für fahrlässig halte. Und Einsparungen bei den Verwaltungskosten der Krankenkassen ließen sich aus ihrer Sicht über eine Einheitskasse erzielen. Aber man sei eben in einer Koalition mit der FDP und da ließe sich eine Bürgerversicherung einfach nicht durchsetzen.
Nach dem lebhaften Austausch mit dem Berufsnachwuchs versprach Engelhardt immerhin, das ausgediente Klischee vom Apotheker-Porsche künftig nicht mehr verwenden zu wollen. Denn die Teilnehmer hatten eindrucksvoll geschildert, dass sie echte Existenzsorgen plagen. Engelhardt dazu: »Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass Sie in zehn Jahren noch eine erfolgreiche Apotheke führen werden, aber ich kann Ihnen garantieren, dass ich alles dafür tun werde, solange ich im Parlament bin.«
Warum der Minister mit den Apothekern nicht über das Honorar sprechen wollte, müssten sie ihn allerdings schon selbst fragen. Angesichts von Honorarerhöhungen in anderen Bereichen glaube sie aber nicht eine »persönliche Fehde«, wie von einem Teilnehmer insinuiert. »Für mich sind Sie jedenfalls keine anderen Menschen als Ärzt:innen oder Physiotherapeut:innen. Vielleicht macht der Minister nochmal eine Denkrunde«, so Engelhardt.
Die Abgeordnete hat selbst eine wechselhafte berufliche Karriere hinter sich. Weil in den 80er-Jahren keine Grundschullehrerinnen gesucht wurden, war sie ein Jahr lang arbeitslos und lernte schließlich auf Redakteurin um. Auf Umwegen fand sie ihren Weg in die Politik, es ist ihre erste Legislaturperiode im Bundestag. Hier setzt sie sich für Gesundheitsthemen und Menschenrechte ein. Dann müsse sie die Apotheker mit ihrem Helfersyndrom doch eigentlich gut verstehen können, meinte eine Teilnehmerin.