Empfehlungen zu Statinen überarbeitet |
Annette Rößler |
23.09.2022 17:00 Uhr |
Die Primärprävention richtet sich per definitionem an Personen, die noch kein kardiovaskuläres Ereignis gehabt haben, bei denen das Risiko dafür aber erhöht ist. / Foto: Adobe Stock/Studio Romantic
Die US Preventive Services Task Force (USPSTF) ist eine von der US-Regierung finanzierte Expertengruppe, deren Aufgabe darin besteht, Empfehlungen zur Prävention von Krankheiten auszusprechen. Kürzlich äußerte sich dieses Gremium zur Gabe von Statinen zur Verhinderung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE) im Fachjournal »JAMA«. Die Empfehlungen beziehen sich ausschließlich auf die Primärprävention, also den Einsatz der Statine bei Personen, die zuvor noch kein kardiovaskuläres Ereignis gehabt haben.
Die USPSTF trifft folgende Aussagen:
Was ist nun das Neue an diesen Empfehlungen? Hierzu sagte Professor Dr. Andreas Zeiher von der Goethe-Universität Frankfurt am Main der Nachrichtenseite »Medscape«: »Es ist ziemlich neu, dass Empfehlungen zu Statinen in der Primärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ausgesprochen werden, die weitgehend unabhängig von den Cholesterolwerten sind. So dezidiert finden wir das in den europäischen Guidelines nicht.« Zeiher hält das für wichtig. »Denn selbst mit ganz normalen Blutfettwerten kann man ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben, das sich mithilfe von Statinen senken lässt.«
Im Zentrum sowohl der US-amerikanischen als auch der europäischen Empfehlungen stehe das geschätzte Zehn-Jahres-Risiko. Für dessen Berechnung sollte in Europa der SCORE2-Rechner genutzt werden, den die europäische Fachgesellschaft ESC vor gut einem Jahr im »European Heart Journal« vorgestellt hatte. Online-Tools, die den SCORE2 nutzen, sind im Internet frei verfügbar, etwa auf der Website des Bundesverbands niedergelassener Kardiologen unter www.scores.bnk.de. Allerdings nutzten Hausärzte diesen Rechner laut Zeiher noch zu wenig, sodass der primärpräventive Einsatz eines Statins nach wie vor weitgehend eine persönliche Entscheidung des betreuenden Arztes sei und nicht oft genug erfolge.
Anders als in der Sekundärprävention von kardiovaskulären Ereignissen gibt es in der Primärprävention keine Zielwerte für das LDL-Cholesterol. Dazu gebe es »ehrlicherweise keinerlei Daten«, sagte Zeiher. Man müsse den LDL-Cholesterolwert daher auch nicht regelmäßig messen, um gegebenenfalls die Statin-Dosis anzupassen. Generell solle die Statin-Therapie als Primärprävention in einer mittleren Intensität erfolgen; beim Auftreten von Nebenwirkungen könne die Dosis reduziert oder das Statin abgesetzt werden.
Laut USPSTF ist die Datenlage für einen Neubeginn einer Statin-Primärprävention bei Personen über 75 Jahren unzureichend. Doch wie sieht es aus, wenn ein Mensch in diesem Alter bereits ein Statin einnimmt? Zeiher plädiert hier für einen pragmatischen Ansatz: »Wenn Menschen über 75 Jahren sich mit den Medikamenten wohlfühlen und keine Nebenwirkungen haben, können und sollten sie diese durchaus weiter nehmen.«