EMA empfiehlt Levacetylleucin |
Brigitte M. Gensthaler |
30.07.2025 14:00 Uhr |
Professor Dr. Thorsten Marquardt (rechts) und Dr. Julien Park von der Abteilung für Angeborene Stoffwechselerkrankungen der Universität Münster arbeiten an der Erforschung seltener Stoffwechselerkrankungen wie NPC und waren an der Studie zur Wirksamkeit der modifizierten Aminosäure N-ALL beteiligt. / © UKM/FZ
Die Niemann-Pick-Krankheit Typ C (NPC) ist eine seltene lysosomale Lipidspeicherkrankheit, die je nach Alter unterschiedliche klinische Symptome hervorruft und auch als »Kinderdemenz« bekannt ist. Die Lebensspanne der Patienten reicht von einigen Tagen bis zu einigen Jahrzehnten. NPC wird durch Mutationen lysosomaler Proteine verursacht, die für den intrazellulären Transport und Stoffwechsel von Körperfetten und Cholesterol essenziell sind. Ausgelöst wird die Erkrankung durch Mutationen in den Genen NPC1 und NPC2; die Folge ist ein gestörter Cholesterol-Transport in den Körperzellen, der besonders in Nervenzellen Ablagerungen von Cholesterol verursacht.
Der Krankheitsverlauf variiert stark je nach Erkrankungsalter. Mit der Zeit versagen die Zellen des zentralen Nervensystems und der Körperorgane. Die meisten NPC-Patienten sterben vor dem 20. Lebensjahr. Es gibt bislang keine kurative Therapie. Miglustat ist das einzige zugelassene Medikament; es verlangsamt das Fortschreiten neurologischer Symptome.
Nun hat der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA die Marktzulassung für Levacetylleucin (N-Acetyl-L-Leucin, N-ALL, Aqneursa®, IntraBio Ireland) zur Behandlung neurologischer NPC-Manifestationen bei Erwachsenen und Kindern ab sechs Jahren und einem Körpergewicht von mindestens 20 kg empfohlen. Das Medikament kann mit Miglustat kombiniert oder als Monotherapie angewendet werden, wenn Patienten Miglustat nicht vertragen. Es wird als Granulat zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen angeboten. Dosiert wird nach Körpergewicht; die Suspension wird bis zu dreimal täglich verabreicht.
Levacetylleucin korrigiert den Energiestoffwechsel und verbessert vor allem die Produktion von Adenosintriphosphat (ATP), dem wichtigsten Energielieferanten für Zellen und Gewebe im Kleinhirn.
Die Empfehlung basiert auf einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Crossover-Studie mit 60 Patienten. Die neurologischen Anzeichen, Symptome und Funktionsfähigkeit wurden mit der Scale for the Assessment and Rating of Ataxia (SARA) gemessen, einschließlich Gehen, Stehen, Sitzen und Sprechen. 51 Patienten erhielten bereits Miglustat und setzten die Behandlung fort.
Alle erhielten im Verhältnis 1:1 randomisiert in Phase I zwölf Wochen lang entweder Aqneursa oder Placebo. Dann wurden sie für weitere zwölf Wochen auf die jeweils andere Therapie umgestellt. Am Ende der ersten Phase zeigten die Patienten unter Verum eine statistisch signifikante Verbesserung des SARA-Scores im Vergleich zu Placebo. Am Ende von Phase II hatten sich die von Aqneursa auf Placebo umgestellten Patienten signifikant verschlechtert. Auch Patienten, die kein Miglustat erhielten, verbesserten ihren SARA-Score unter Aqneursa. Die einzige Nebenwirkung, die mit der Behandlung ursächlich in Zusammenhang gebracht wurde, sind Blähungen.
Die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA hat im September 2024 gleich zwei Medikamente für NPC-Patienten zugelassen. Arimoclomol (Miplyffa) darf bereits für Kinder ab zwei Jahren eingesetzt werden, Levacetylleucin bei Patienten mit einem Körpergewicht über 15 kg.