Elafibranor im Handel |
Sven Siebenand |
31.10.2024 07:00 Uhr |
Vor allem Frauen erkranken an primär biliärer Cholangitis. Die Symptome sind unspezifisch. Sehr häufig tritt starker Juckreiz auf. / © Adobe Stock/doucefleur
Bei PBC handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die zu 90 Prozent Frauen betrifft. Die Symptome sind unspezifisch, etwa Juckreiz und Fatigue treten oft auf. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen 40 und 60 Jahren. PBC ist ein cholestatisches Leiden. Es kommt im Zuge der Erkrankung zur schrittweisen Zerstörung der Gallengänge in der Leber. Diese Gänge transportieren Gallensekret von der Leber zum Darm, wo es bei der Verdauung von Fetten hilft. Infolge der Schädigung der Gänge häuft sich das Gallensekret in der Leber an, was zu einer Schädigung des Lebergewebes führt. Dies kann zu Narbenbildung und Leberversagen führen und das Risiko für Leberkrebs erhöhen. Mittel der ersten Wahl in der Behandlung ist Ursodesoxycholsäure (UDCA). Rund 40 Prozent der Betroffenen sprechen darauf aber nicht oder nicht ausreichend an.
Mit Elafibranor kam nun eine neue Therapieoption ab der Zweitlinie auf den deutschen Markt. Indiziert ist sie bei Erwachsenen für die PBC-Behandlung in Kombination mit UDCA, wenn die Patienten nicht ausreichend darauf ansprechen. Bei Patienten, die UDCA nicht vertragen, ist auch eine Monotherapie mit Elafibranor möglich.
Elafibranor ist ein Agonist an den Peroxisomen-Proliferator-aktivierten Rezeptoren (PPAR) α und δ. Die Aktivierung von PPAR α und PPAR δ verringert die Gallentoxizität und verbessert die Cholestase durch Modulation der Gallensäuresynthese, der Entgiftung und der Transporter. Die Aktivierung von PPAR α und PPAR δ hat auch entzündungshemmende Eigenschaften durch Beeinflussung verschiedener Signalwege.
Die Zulassung von Elafibranor basiert auf den Ergebnissen der doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Phase-III-Studie ELATIVE, die die Wirksamkeit und Sicherheit bei Patienten mit PBC und unzureichendem Ansprechen oder Unverträglichkeit gegenüber UDCA untersuchte. An der Studie nahmen 161 Betroffene teil, die einmal täglich entweder 80 mg Elafibranor oder Placebo für mindestens 52 Wochen erhielten. Patienten, die unzureichend auf UDCA ansprachen, erhielten weiterhin UDCA in Kombination mit Elafibranor oder Placebo, während Patienten, die UDCA nicht vertrugen, nur Elafibranor oder Placebo erhielten.
Der primäre Endpunkt war das Cholestase-Ansprechen in Woche 52, definiert als zusammengesetzter Endpunkt aus alkalischer Phosphatase (AP) < 1,67 × oberer Normwert (ULN) und Gesamtbilirubin ≤ ULN und AP-Abnahme ≥ 15 Prozent. AP und Bilirubin sind wichtige Prädiktoren für das Fortschreiten der PBC-Erkrankung.
Der primäre Endpunkt wurde in der Verumgruppe bei 51 Prozent der Teilnehmer erreicht; im Kontrollarm war dies nur bei 4 Prozent der Fall. Einen Vorteil gab es auch beim sekundären Endpunkt AP-Normalisierung. Im Verumarm gelang dies bei 15 Prozent der Patienten, im Kontrollarm bei keinem Patienten.
Empfohlen wird eine tägliche orale Dosis von 80 mg. Nicht empfohlen wird die Anwendung allerdings bei schwerer Leberfunktionsstörung. Eine Beurteilung der Leberfunktion, sowohl klinisch als auch laborchemisch, sollte vor Beginn der Behandlung mit Elafibranor und danach entsprechend der routinemäßigen Behandlung der Patienten erfolgen. Werden Erhöhungen der Leberwerte und/oder Leberfunktionsstörungen beobachtet, wird eine sofortige Untersuchung der Ursache empfohlen und der Arzt sollte eine Unterbrechung der Behandlung in Betracht ziehen.
Auch Erhöhungen der Kreatininphosphokinase (CPK) im Blut wurden unter Elafibranor beobachtet. Die CPK sollte daher vor Therapiestart und danach im Rahmen der routinemäßigen Behandlung bestimmt werden. Wenn ein Anstieg der CPK oder unerklärliche Anzeichen und Symptome einer Muskelschädigung beobachtet werden, sollte ebenfalls eine Unterbrechung der Therapie mit Elafibranor in Betracht gezogen werden.
Sehr häufig beobachtete Nebenwirkungen von Elafibranor sind Bauchschmerzen, Durchfall, Übelkeit und Erbrechen.
Kontraindiziert ist Elafibranor bei bekannter oder vermuteter Schwangerschaft sowie bei Frauen im gebärfähigen Alter, die keine Verhütungsmittel anwenden. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während und bis drei Wochen nach der letzten Dosis von Elafibranor eine wirksame Empfängnisverhütung anwenden. Der Wirkstoff sollte während der Stillzeit nicht zum Einsatz kommen. Frauen sollen bis mindestens drei Wochen nach der letzten Einnahme des PBC-Medikaments nicht stillen.
Die primär biliäre Cholangitis ist eine Erkrankung mit ausgeprägter Morbidität und wird immer noch erst spät erkannt und behandelt. Neben der Behandlung extrahepatischer Symptome wie Juckreiz und Fatigue gilt es leberspezifische Komplikationen zu vermeiden. Da auf die Erstlinientherapie mit Ursodesoxycholsäure (UDCA) längst nicht alle Betroffenen (ausreichend) ansprechen, ist es von großer Bedeutung, auf andere Therapieoptionen zurückgreifen zu können.
Fibrate werden off label in der Zweitlinien eingesetzt und mit Obeticholsäure kam vor einigen Jahren ein erster Agonist am Farnesoid-X-Rezeptor (FXR) für die Zweitlinientherapie der PBC in den Handel. Dessen Zukunft ist aber wage. Im Sommer 2024 hat die EMA das Nutzen-Risiko-Verhältnis negativ bewertet, woraufhin die Zulassung widerrufen wurde. Dagegen legte Hersteller erfolgreich Widerspruch ein: Der EuGH ordnete Anfang September ein sofortiges Aussetzen der Kommissionsentscheidung an, sodass die bedingte Zulassung bis zu einer weiteren Entscheidung des EuGH bestehen bleibt. Man wird abwarten müssen, wie es in dieser Sache weitergeht.
In Sachen PBC-Therapie ging es mit der Markteinführung unterdessen schon weiter. Elafibranor hat einen neuen Wirkmechanismus. Es ist der erste Agonist an den Peroxisomen-Proliferator-aktivierten Rezeptoren (PPAR) α und δ. Ein weiteres Argument für die vorläufige Einstufung als Sprunginnovation sind die überzeugenden Ergebnisse der Zulassungsstudie. Diese zeigen, dass Elafibranor bei der Senkung der Blutspiegel von Bilirubin und alkalischer Phosphatase wesentlich wirksamer war als Placebo. Eine Verringerung der Werte beider Parameter kann auf eine geringere cholestatische Schädigung und eine verbesserte Leberfunktion hinweisen. Positiv ist auch, dass es kein Indiz dafür gibt, dass Betroffene im fortgeschrittenen Krankheitsstadium schlechter auf den neuen Wirkstoff ansprechen. Zudem zeigen die Daten, dass Elafibranor auch den Pruritus als stark beeinträchtigendes Leitsymptom der Erkrankung lindern kann.
Abzuwarten bleibt, ob Elafibranor auch bei anderen cholestatischen Erkrankungen eine Zukunft haben wird. Zu erwarten ist ferner, dass mit Seladelpar schon bald eine weitere Substanz mit ähnlichem Wirkmechanismus zugelassen werden wird und sich die Therapieoptionen bei PBC noch mal erweitern werden.
Sven Siebenand, Chefredakteur