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Schaper & Brümmer

Einstiges Start-up für Phytotherapie wird 100

Lange Zeit basierte der Einsatz von Wurzeln, Blüten und Blättern auf Erfahrungswissen – bis die modernen Naturwissenschaften eine empirische Basis schufen. Einer der Vorreiter dieser Entwicklung war das Phytopharmaka-Unternehmen Schaper & Brümmer. Heute kann es auf eine hundertjährige Firmengeschichte zurückblicken.
AutorKontaktElke Wolf
Datum 14.08.2023  07:00 Uhr

Noch immer befindet sich das Pharmaunternehmen Schaper & Brümmer nur einen Katzensprung vom ursprünglichen Gründungsort in Salzgitter entfernt, inklusive Produktionsanlagen, Forschungsstätten samt Laboren, Logistikzentren und auch ausgewählte Anbauflächen für benötigte Heilpflanzen. Heute ist der Phytobetrieb Teil der Medice Health Family, die 2021 die Mehrheit der Gesellschafteranteile übernahm. »Der Einstieg von Medice war ein großes Glück. Beide Unternehmen schrieben natürliche Therapien stets groß. Bereits seit den 1970er-Jahren bestanden enge, auch persönliche Verbindungen zwischen den beiden Firmen. Als mittelständische Familienunternehmen sind sie dem Standort Deutschland stets treu geblieben«, sagte Nils Wolcke anlässlich des 100. Firmenjubiläums. Er ist seit 2018 Geschäftsführer von Schaper & Brümmer.

1923 hatten der 22-jährige Drogist Erich Schaper und der 25-jährige Kaufmann Albert Brümmer den Mut, inmitten der politischen Wirren und der wirtschaftlichen Unsicherheiten der Weimarer Republik ein – wie es heute heißen würde – Start-up zu gründen. »Über ihren gemeinsamen Arbeitsplatz in einer Algermisser Apotheke lernten sie sich kennen und sahen damals schon das Potenzial, das in naturheilkundlichen Zubereitungen stecken kann«, so Wolcke. In ihrer Freizeit begannen sie, Kräuter, Wurzeln und andere Pflanzenbestandteile in einer zehn Quadratmeter großen Waschküche eines winzigen Fachwerkhauses in Ringelheim von Hand zu häckseln und zu sogenannten »biologischen« Heilmitteln zu verarbeiten.

Gründer reisen als Werbebotschafter durchs Land

Sie gründeten die »Schaper und Brümmer, Fabrik chemisch-pharmazeutischer Spezialitäten Ringelheim«. Zum Sortiment der ersten Stunde gehörte unter anderem der Vorläufer von Esberitox®: Esbri Komplexmittel (»Es« für Erich Schaper, »B« für Brümmer und »Ri« für Ringelheim). Ursprünglich als Lymphmittel konzipiert, entwickelte sich Esberitox in den vergangenen 100 Jahren zum umsatzstarken immunsteigernden Erkältungsmittel.

Bereits zwei Jahre später bezogen Schaper und Brümmer ihr erstes eigenes Firmengebäude. »Mehrmals umgebaut und aufgestockt« sei dieses heute noch Teil der Unternehmenszentrale in Salzgitter-Ringelheim, so Wolcke. In dieser Zeit warben die Jungunternehmer Freunde und Bekannte an und bauten ihren ersten Außendienst auf. Sie reisten aber selbst auch durchs Land, um ihre Spezialitäten Ärzten, Heilpraktikern und Apothekern anzubieten, darunter neben Esbri und Cystinol® die »Ringelheimer Blutregenerationskur«, die »Gallen- und Leberreinigungskur« oder »Pulmonal«, ein Kräutersaft zur Therapie bei Erkrankungen der Atemwege. Bis Mitte der 1930er-Jahre stieg die Mitarbeiterzahl auf 200 an, die die mehr als 80 Präparate anfangs noch von Hand herstellten. In der Vorkriegszeit lieferte das Unternehmen seine Spezialitäten auch in die Schweiz, nach Großbritannien, Polen oder in die USA.

Dachböden als Trockenlager

Mit Kriegsbeginn wurden Erich Schaper sowie mehrere Mitarbeiter eingezogen und unternehmenseigene Fahrzeuge beschlagnahmt, was die Firma in existenzielle Schwierigkeiten stürzte. Einer Schließungsorder der NSDAP zwecks Mobilisierung von Arbeitskräften entging das Unternehmen nur knapp durch den Nachweis devisenträchtiger Exportaufträge sowie durch Wehrmachtsaufträge für Arzneimittel wie einer pflanzenbasierten Frostschutzsalbe. »In diesen schweren Zeiten hat der ganze Ort geholfen, den Betrieb am Leben zu halten«, erzählte Wolcke, »schriftlich festgehalten ist etwa, dass in der Gaststätte »Deutsches Haus« regelmäßig 120 Frauen und Mädchen die Frostsalbe in Dosen abfüllten. Oder dass das Dach des Ringelheimer Schlosses und viele andere kleine Dachböden als Trockenlager dienten.«

Obwohl im Krieg bis auf die Firmenzentrale in Ringelheim alle Niederlassungen – etwa in Berlin, Leipzig, München und Stuttgart – zerstört und Rohstoffe knapp waren, konnte das Unternehmen die Produktion aufrechterhalten und Apotheken, Lazarette und Krankenhäuser mit Arzneimitteln beliefern. Von der Demontage der Fabrik durch die Alliierten blieb Schaper & Brümmer verschont; es erhielt recht früh eine Produktionserlaubnis und Reisegenehmigung der britischen Militärregierung und konnte so über die englische Besatzungszone hinaus beliefern. Ab 1949 war die Umsatzkurve wieder steigend.

Aus Erfahrung wird Wissen

Bereits um 1950 herum, also lange bevor das deutsche Arzneimittelgesetz es verlangte, hatte Schaper & Brümmer den Anspruch, Zusammensetzung, Wirksamkeit und Verträglichkeit der eigenen pflanzlichen Präparate wissenschaftlich zu untermauern – bislang basierte die Anwendung entsprechender Zubereitungen auf Erfahrungswissen und Überlieferung. »Erich Schaper erkannte, dass tradiertes Wissen nun wissenschaftlich aufgearbeitet werden muss«, beschrieb Wolcke den Weitblick des Firmengründers. Eine »Wissenschaftliche Abteilung« wurde etabliert, um den Wirkungsweisen und pharmakologischen Eigenschaften von mehr als 200 Ringelheimer Produkten auf den Grund zu gehen.

Schon früh legten die Firmengründer Wert auf die Zusammenarbeit mit externen Instituten und Universitäten. Die bereits zuvor verkleinerte Produktpalette reduzierte sich im Lauf der Jahre weiter, ab Mitte der 1960er-Jahre konzentrierte sich das Unternehmen auf seine Umsatzgaranten Esberitox, Cystinol und Remifemin® mit Traubensilberkerze (»Remi« steht für »Ringelheimer Eigenmischung«), das 1956 auf den Markt kam.

1970 übernahm nach dem Ausscheiden von Albert Brümmer und dem Tod von Erich Schaper dessen Sohn, der Diplom-Chemiker Hans-Henning Schaper, die Leitung des Unternehmens. Er setzte stringent die bereits begonnene Rationalisierung, Automatisierung und Modernisierung des Betriebs fort und forcierte die Forschung. Er war es auch, der die viele Jahre stattfindenden »Ringelheimer Gespräche« initiierte, ein über die Landesgrenzen hinaus bekanntes Ärztetreffen zum Austausch von Erfahrungen aus Forschung und Praxis.

Qualität durch Standardisierung

Im Jahr 1994 baute Arne Schaper als geschäftsführender Gesellschafter den Export und das OTC-Geschäft aus, das infolge massiver Umsatzeinbußen durch wegfallende ärztliche Verordnungen an Bedeutung gewonnen hatte. »Letztlich bedeutete diese Strategie auch eine gewisse Vorarbeit für die Zeit ab 2004. Ab diesem Zeitpunkt waren Phytopharmaka weitestgehend nicht mehr verschreibungsfähig«, betonte Wolcke.

Umso mehr setzte das Unternehmen darauf, die wissenschaftliche Rationale der Phytotherapie zu unterfüttern. Das beginnt mit der Qualität der Rohstoffe und der verwendeten Teile der Arzneipflanze. Durch kontrollierten eigenen Anbau wurde eine gleichbleibend hohe Qualität des Rohmaterials sichergestellt. »Kultivierte Pflanzen wurden anstelle von Wildsammlungen verwendet, wo immer dies möglich war. Arzneipflanzen wie die Traubensilberkerze werden bis heute von Hand oder mithilfe von Pferden gepflegt, da ein maschineller Einsatz die empfindlichen Pflanzen beschädigen würde. Bei einigen Arzneipflanzen verfügt Schaper & Brümmer über einen exklusiven Sortenschutz, so bei der Färberhülse sowie bei zwei Cimicifuga-racemosa-Sorten.«

Technische Weiterentwicklung

Parallel zur Qualitätssicherung beim Anbau, den Untersuchungen und Tests in den Laboren sowie technischen Weiterentwicklungen bei den selbst entwickelten Extrakten war laut Wolcke schon lange die Notwendigkeit bewusst, klinische Studien durchzuführen, um die Wirksamkeit und Verträglichkeit der zugelassenen Phytopharmaka in Klinik und Praxis zu verifizieren. Die beste Datenlage weist dabei der isopropanolische Cimicifuga-racemosa-Spezialextrakt in Remifemin auf. In der Tat: Aufgrund umfangreicher randomisierter kontrollierter Studien eignet er sich zur leitliniengerechten Behandlung von menopausalen Beschwerden.

Im Jahr 2021 erwarb die Medice Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG 60 Prozent der Gesellschafteranteile von Schaper & Brümmer. Geschäftsführer ist seither neben Nils Wolcke auch Dr. Uwe Baumann, der auch Geschäftsführer bei Medice ist. Fortan etabliert sich Schaper & Brümmer als Phytokompetenz-Einheit innerhalb des Gesamtunternehmens – mit neuem Schwerpunkt: die Mikrobiomforschung. »Wir entwickeln evidenzbasierte, therapeutische Ansätze, zum Beispiel mit Fermentaten, die die Verdaulichkeit und die nutritiven Eigenschaften verbessern. Ob die Reise Richtung Functional Food oder Arzneimittel geht, ist noch offen«, stellte Baumann in Aussicht. Die Produktionsanlagen in Salzgitter haben jedenfalls Zuwachs in Form vieler Fermenter gewonnen.

1945 standen vier Fahrzeuge zur Verfügung aufgrund von Dringlichkeitsbescheinigungen. / Foto: Schaper&Brümmer
Was Erich Schaper (rechts) und Albert Brümmer 1923 in einer Waschküche begannen, würde man heute als Start-up bezeichnen. / Foto: Schaper&Brümmer
Ein Blick auf die historischen Abfüllanlagen der biologischen Mischungen von Schaper & Brümmer. / Foto: Schaper&Brümmer
Qualitätssicherung und weitgehende Standardisierung gelten auch für den Anbau der Pflanzen, um möglichst gleichbleibendes Rohmaterial zu haben. / Foto: Schaper & Brümmer
Die Standardisierung eigens entwickelter und patentierter Spezialverfahren wie bei der Extraktion von Cimicifuga racemosa machen die gleichbleibende Qualität der Phytopharmaka aus. / Foto: Schaper & Brümmer
Gewinnung des Mischextraktes für Esberitox. / Foto: Schaper & Brümmer
Die Pflege der Arzneipflanzen wie die Traubensilberkerze geschieht bis heute von Hand und mithilfe von Pferden. Ein maschineller Einsatz würde die empfindlichen Pflanzen beschädigen. / Foto: Schaper & Brümmer
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