Einsatz von Tierantibiotika nach zehn Jahren wieder gestiegen |
Ein großer Anteil der 701 Tonnen Tier-Antibiotika dürfte in der Landwirtschaft eingesetzt worden sein. Sie werden oft auch in der Schweinemast benötigt, damit sich keine Krankheiten in den Ställen ausbreiten können. / Foto: Imago Images/photothek
Im vergangenen Jahr ist die Abgabe von Antibiotika in der Tiermedizin wieder leicht gestiegen. 31 Tonnen mehr Antibiotika (plus 4,6 Prozent) wurden 2020 eingesetzt als noch 2019 (670 Tonnen). Damit ist ein knapp zehnjähriger rückläufiger Trend erstmalig unterbrochen worden. Denn: Im Vergleich zu 2011 beträgt der Rückgang der eingesetzten Antibiotika insgesamt 59 Prozent. 2011 lag die Summe der Antibiotika noch bei 1706 Tonnen, 2020 waren es noch 701 Tonnen, informierte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) kürzlich.
Das BVL schlüsselt dabei auch die geografische Verteilung der Antibiotika-Abgabe auf. So ist in der nachfolgenden Grafik deutlich zu sehen, dass 2020 der Spitzenreiter beim Einsatz von Tier-Antibiotika die Region Osnabrück, Melle, Ibbenbüren und Lingen (Ems) im Nordwesten Nordrhein-Westfalens und Südwesten Niedersachsens ist. In dieser landwirtschaftlich geprägten Region wurden vergangenes Jahr 200 bis 500 Tonnen Antibiotika eingesetzt, der größte Anteil der insgesamt deutschlandweit abgegebenen 701 Tonnen. Im Vergleich zu 2011 hat sich aber auch dort der Einsatz der Antibiotika verringert. Vor zehn Jahren belief sich die Abgabe antimikrobieller Wirkstoffe in dieser Region noch auf 500 bis 800 Tonnen. Fast überall in Deutschland ist der Einsatz von Antibiotika gesunken, bis auf Regionen nordöstlich von München in Bayern und im Norden Baden-Württembergs.
Antibiotika-Abgabemengen in der Tiermedizin nach Postleitregionen in den Jahren 2011 und 2020. / Foto: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)
2020 stieg dabei die Abgabemenge der für die Therapie beim Menschen besonders wichtigen Fluorchinolone im Vergleich zum Vorjahr zudem leicht an (6,4 statt 6 Tonnen). Polypteptidantibiotika (Colistin) erreichten hingegen ihren niedrigsten Wert seit 2011 (60 Tonnen). Die größten Antibiotika-Klassen sind dabei wie in den Vorjahren auch Penicilline (278 Tonnen) und Tetrazykline (148 Tonnen). Danach folgen Sulfonamide (65 Tonnen) und Makrolide (61 Tonnen).
Die gemeldeten Wirkstoffmengen können dabei aber nicht einzelnen Tierarten zugeordnet werden, erklärt das BVL in einer Mitteilung. Diese Unterscheidung soll allerdings im Rahmen der Umsetzung der neuen EU-Tierarzneimittelverordnung (EU 2019/6) möglich sein. In Artikel 57 wird demnach die Erfassung der Abgabe- und Verbrauchsmengen von Medikamenten mit antimikrobiellen Wirkstoffen, bei Tieren vorgeschrieben. So müssten die Daten der ersten Tierarten (Rind, Schwein, Huhn und Pute) ab 2023 erfasst werden. Ab 2027 folgen dann weitere Tierarten, so das BVL.
Die neue EU-Verordnung will den Kampf gegen die Ausbreitung multiresistenter Keime aufnehmen und den Einsatz von Antibiotika besser kontrollieren. Allerdings hatte das EU-Parlament erst kürzlich eine weitere Initiative abgelehnt, die vorsah, fünf Antibiotikagruppen für den Einsatz beim Menschen zu reservieren. Sie sollen nun auch weiterhin bei Tieren eingesetzt werden dürfen. Auch der Bundestag und der Bundesrat hatten sich erst vor wenigen Wochen endgültig dafür gestimmt, ein neues Tierarzneimittelgesetz einzuführen. Damit tritt im kommenden Jahr ein Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Präparate in der Tiermedizin in Kraft.