Einfluss der Trainingsintensität auf Entzündungsreaktionen |
Theo Dingermann |
14.01.2025 16:20 Uhr |
Körperliches Training erhöht die Konzentration von zellfreier DNA im Blut – das Ausmaß hängt dabei von der Intensität des Trainings ab. / © Getty Images/Oleg Breslavtsev
Zellfreie DNA (cfDNA), also aus Zellen freigesetzte DNA, die sich in Körperflüssigkeiten wie Blut befindet, erfährt momentan ein besonderes Interesse. Durch die Analyse dieser DNA ist es möglich, wichtige Diagnosen beispielsweise mit Blick auf die genetische Gesundheit eines Fetus oder auf bestimmte Tumoren zu treffen. Andererseits weiß man auch, dass cfDNA mit dem Immunsystem interagiert und für Entzündungsreaktionen verantwortlich sein kann.
Diesem Problem widmeten sich Forschende um den Doktoranden Kameron B. Rodriguesa vom Department of Pathology an der Stanford University School of Medicine in Stanford, die jetzt im Fachjournal »Proceedings of the National Academy of Sciences« (PNAS) die Ergebnisse einer Studie publizierten, in der sie die Herkunft und die Konzentrationen von cfDNA von zehn gesunden Personen analysierten, die jeweils über zwölf Wochen entweder ein sogenanntes hochintensives taktisches Training (HITT) oder traditionelles moderates Training (TRAD) absolvierten.
Vor und nach dem Training in den Wochen 0 und 12 sowie vier Wochen nach Abschluss des Trainings wurden Blutproben entnommen, um daraus cfDNA zu isolieren. Mithilfe der enzymatischen Methylierungssequenzierung des gesamten Genoms (EM-seq) konnten die Autoren die zellulären Quellen der cfDNA identifizieren. Denn zum einen ist bekannt, dass durch körperliche Betätigung freigesetzte cfDNA größtenteils hämatopoetischen Ursprungs ist. Zum anderen ist die DNA-Methylierung zelltypspezifisch, sodass anhand dieses Methylierungs-Fingerprints auf den Zellursprung der DNA geschlossen werden kann.
So fanden die Forschenden, dass ein akutes Training die cfDNA-Konzentration im Serum signifikant erhöht, insbesondere bei HITT im Vergleich zu einem TRAD-Training. Neutrophile Granulozyten trugen am meisten zur Konzentration an cfDNA bei, gefolgt von dendritischen Zellen (DC) und Makrophagen. Das Ausmaß der cfDNA-Freisetzung war zudem von der Trainingsintensität abhängig.
Als Hauptmechanismus für die cfDNA-Freisetzung identifizierten die Forschenden die sogenannte ETosis, eine Form des programmierten Zelltods, bei dem DNA in Form von extrazellulären Fallen (extracellular traps, ET) freigesetzt wird. Dies zeigte sich durch hypomethylierte Muster im Gen für die Myeloperoxidase (MPO), das bei der ETosis aktiv ist.
Weiter konnten die Forschenden zeigen, dass ein langfristiges Training die cfDNA-Freisetzung aus DC und Makrophagen, nicht jedoch aus Neutrophilen reduzierte. Zudem war bei trainierten Probanden die mitochondriale cfDNA-Konzentration im Ruhezustand nach zwölf Wochen Training und vier Wochen nach der aktiven Trainingsphase signifikant niedriger. Es zeigte sich auch, dass im Gegensatz zu proinflammatorischen Zytokinen wie IL-6 die Freisetzung von antiinflammatorischem IL-10 durch ein Training verstärkt wurde.
Verglichen die Forschenden die beiden Trainingsarten HITT und TRAD, zeigte sich, dass ein HITT zu einer stärkeren Anreicherung von kernbasierter cfDNA im Vergleich zu TRAD führte. Die trainingsinduzierten Anpassungen waren bei HITT stärker ausgeprägt und die Reduktion der proinflammatorischen Signale effektiver als bei einem TRAD-Training.
Demnach wird cfDNA primär durch mechanischen Stress wie Scherkräfte und Hypoxie freigesetzt, nicht durch Zytokine. Dies legt nahe, die Rolle der Blutplättchen und weiterer Mechanismen der ETosis in künftigen Studien näher zu erforschen.
Für die Praxis bedeuten die Ergebnisse dieser Studie, dass eine komplexe Beziehung zwischen Training, Entzündung und Immunität besteht und dass eine verminderte Freisetzung von cfDNA aus DC und Makrophagen die entzündungshemmenden Vorteile von regelmäßigem Training erklären könnte. Dies könnte auch für Entzündungen in verschiedenen anderen Kontexten wie Alterung, Krebs, Autoimmunität und Impfung von Bedeutung sein.