Eine regulatorische Grauzone |
Laura Rudolph |
09.05.2025 16:20 Uhr |
Bakteriophagen sind Viren, die gezielt und wirtsspezifisch Bakterien angreifen. Sie können dann zum Einsatz kommen, wenn Antibiotika nicht mehr helfen. / © Adobe Stock/peterschreiber.media
Bakterielle Resistenzen nehmen weltweit zu und fordern immer mehr Menschenleben. »In Deutschland sind im Jahr 2021 mindestens 8000 Menschen an einer Infektion mit resistenten Bakterien gestorben«, sagte Dr. Timo Faltus von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg beim ADKA-Kongress in Berlin. Während die Entwicklung dringend benötigter neuer Antibiotika ins Stocken geraten sei, gewinne die Phagentherapie an Bedeutung. Bakteriophagen sind Viren, die gezielt und wirtsspezifisch Bakterien angreifen.
In einem Kurzvortrag ging der Jurist und Biologe auf die rechtlichen Besonderheiten bei der krankenhauseigenen Herstellung von Phagenarzneimitteln ein. Phagentherapien dürfen in Deutschland nur als Ultima-Ratio-Therapie, also als letzter möglicher Therapieversuch bei multiresistenten Infektionen zum Einsatz kommen.
»Anders als in einigen Ländern in Osteuropa und Russland gibt es in Deutschland und der EU kein zugelassenes Fertigarzneimittel mit Phagen.« Das liegt insbesondere an der hohen Wirtsspezifität der Phagen, die dazu führt, dass eine Zulassung als Fertigarzneimittel zu aufwendig und wenig wirtschaftlich ist: Jeder einzelne Phagenstamm gilt als separater Wirkstoff. Sobald sich ein Bestandteil eines Präparats ändert – etwa zur Anpassung an eine bakterielle Resistenz –, würde das nach aktueller Rechtslage eine neue Zulassung mit neuen klinischen Studien et cetera erfordern. Auch eine Kombination von Phagen als »Cocktail« müsste ein neues Verfahren durchlaufen, wenn auch nur ein einzelner Phage ausgetauscht wird.
Phagen können in Deutschland aber als magistrale Rezeptur in den Krankenhausapotheken hergestellt werden. Hierfür entfällt, wie bei »gewöhnlichen« Rezepturen auch, nach § 21 Absatz 2 Arzneimittelgesetz (AMG) die Zulassungspflicht. Unabhängig davon sei aber die Frage zu klären, ob für die Magistralrezeptur eine Herstellungserlaubnis notwendig sei.
Hierbei müsse man zwischen Wildtyp-Phagen und genetisch modifizierten Phagen unterscheiden, erklärte Faltus. »Wildtyp-Phagen sind meines Erachtens nach einfache Funktionsarzneimittel.« Dafür sei keine Herstellungserlaubnis nötig. »Sobald man Veränderungen an den Wildtyp-Phagen vornimmt, gilt die Zubereitung allerdings als Gentherapie. Das klingt spooky, ist aber so.« Die Herstellung von gentechnisch veränderten oder rekombinant hergestellten Phagenarzneimitteln unterliege immer der Erlaubnispflicht.
Die Rezepturherstellung ist aber teuer und aufwendig – und die Krankenkassen zahlen die Therapie bislang nicht, was den Patienten auch finanziell belastet.