Eine Frage des Arzneimittels |
Vor der Gabe eines Arzneimittels über eine Ernährungssonde muss diese gespült werden, am besten mit Wasser. / © Adobe Stock/sudok1
Ist das verordnete Arzneimittel derzeit notwendig und muss es zwingend über eine Sonde gegeben werden? Diese Fragen sollten als Erstes gestellt werden, bevor ein Medikament per Sonde appliziert wird. Kann der Patient trotz Sonde schlucken, ist eine orale Applikation in der Regel die sicherste und wirksamste Lösung. Bei einer Schluckstörung (Dysphagie), neurologischen Erkrankungen oder anderen gesundheitlichen Einschränkungen, die das Schlucken erschweren oder unmöglich machen, kommen zunächst alternative Applikationswege wie transdermale Pflaster, Suppositorien oder parenterale Zubereitungen in Betracht.
Ist eine enterale Gabe die einzige Option, sind Material, Innendurchmesser sowie Art und Lage der Sonde zu bedenken. Ernährungssonden können entweder im Magen oder Dünndarm platziert sein. Zu beachten ist, dass im Magen ein saures Milieu herrscht, während der pH-Wert im Dünndarm eher neutral bis alkalisch ist. Daher sollten säureempfindliche Medikamente bei Verabreichung in den Magen nicht zerteilt werden, hingegen ist ihre Gabe über eine Dünndarmsonde in der Regel unproblematisch. Bei Dünndarm- oder Zwölffingerdarmsonden sollte die gesamte Bolusmenge 50 ml nicht überschreiten, um Überlastungen zu vermeiden.
Gibt es oral einzunehmende Arzneimittel auch als Lösung, Tropfen oder Saft, sollten bevorzugt diese Applikationsformen eingesetzt werden, da die Verabreichung über die Sonde einfacher ist. Bei flüssigen Arzneiformen ist vor der Applikation einiges zu prüfen. Eine hohe Osmolarität kann Krämpfe des Magenpförtners, Übelkeit und Erbrechen verursachen. Ferrosanol Tropfen haben beispielsweise eine Osmolarität von über 3500 mOsmol/l. Es wird empfohlen, die Osmolarität deutlich unter 1000 mOsmol/l zu halten. Maximal sollten Werte von 600 mOsmol, bevorzugt zwischen 300 und 400 mOsmol erreicht werden.
Dickflüssige oder hoch konzentrierte Lösungen müssen vor der Gabe mit mindestens 30 ml Wasser verdünnt werden, um die Passage durch die Sonde zu erleichtern und das Risiko von Verstopfungen zu minimieren.
Ein hoher Sorbit-Gehalt kann Magen-Darm-Beschwerden auslösen. Bei mehr als 10 g tritt meist Völlegefühl auf, bei mehr als 20 g Diarrhö. Beispielsweise erhält Pipamperon-Saft bei empfohlenen Tagesdosen oft an die 20 g Sorbitol. Suspensionen und Sirupe enthalten häufig schwer lösliche Partikel und müssen vor der Verabreichung gut geschüttelt und ebenfalls mit Wasser verdünnt werden. Nach jeder Gabe ist eine gründliche Spülung der Sonde erforderlich. Auch einige parenterale Arzneimittel können durch die Sonde gegeben werden.
Feste Arzneiformen müssen zunächst sondengängig gemacht und zerkleinert werden. Brausetabletten sollten vor der Gabe vollständig in mindestens 50 ml Wasser aufgelöst werden. Dabei entsteht Kohlensäure, die durch kurzes Umrühren entweichen kann. Anschließend wird die Lösung mit einer Spritze in die Sonde gegeben. Um eine korrekte Dosierung sicherzustellen, dürfen keine Rückstände im Glas oder in der Spritze verbleiben.
Wenn das Zerkleinern einer Tablette erlaubt ist, sollte sie unmittelbar vor der Verabreichung fein zerrieben werden. Vor allem bei niedrig dosierten Arzneimitteln empfiehlt sich, einen rauen Mörser zunächst mit Lactose auszureiben. Am besten geeignet sind glatte Plastikmörser. Verschiedene Tabletten müssen stets einzeln zerkleinert werden, um mögliche Wechselwirkungen oder Inkompatibilitäten zu vermeiden. Die zerkleinerte Tablette wird in 25 bis 30 ml Wasser suspendiert.
Retardierte Arzneiformen eignen sich nicht für eine Zerkleinerung, da in diesem Fall der gesamte Wirkstoff unkontrolliert freigesetzt werden würde (»Dose Dumping«). Bei magensaftresistenten Überzügen schützt die Beschichtung davor, dass die Tablette bereits im Magen aufgelöst wird. Wenn eine Sonde im Magen endet, dürfen diese Tabletten nicht zerkleinert verabreicht werden.. Bei Filmtabletten ist zu beachten, dass der Filmüberzug aufquillt. Hier ist zügig zu arbeiten und die Sonde gut nachzuspülen.
Hartgelatinekapseln können geöffnet und das enthaltene Pulver suspendiert werden. Magensaftresistente Pellets aus Kapseln bergen hingegen ein hohes Verstopfungsrisiko. Weichgelatinekapseln lassen sich oft nur schwer vollständig entleeren. Das beeinträchtigt die Dosierungsgenauigkeit. Der Inhalt wird am besten mit einer Spritze aufgezogen oder es wird die gesamte Kapsel in warmem Wasser aufgelöst.
Ein Großteil der Sondenverschlüsse geht auf eine unsachgemäße Gabe von Arzneimitteln zurück. Um Verstopfungen zu vermeiden, sollte jedes Medikament einzeln und niemals mit Sondennahrung vermischt werden. Werden Arzneimittel zusammen verabreicht, können große anionische und kationische Wirkstoffe einen schwer löslichen Niederschlag bilden. Sondennahrung wiederum kann einige Wirkstoffe wie Phenytoin binden, was zu einem Wirkverlust führen kann. Hier darf zwei Stunden vor und zwei Stunden nach der Medikamentenapplikation keine Nahrung gegeben werden. Die Sonde muss vor und nach jeder Medikamentengabe mit mindestens 30 ml Wasser gespült werden, und wenn mehrere Arzneimittel verabreicht werden, dazwischen mit 10 bis 20 ml.
Wenn eine Sonde doch einmal verstopft, können Angehörige oder Pflegekräfte versuchen, sie mit Cola oder Pepsinwein wieder frei zu bekommen. Oft ist bei Verstopfung eine Verreibung von Pankreasenzymen, die in verdünnte Natriumhydrogencarbonat-Lösung aufgenommen wird, die letzte Option.