Einarmige Zulassungsstudien greifen zu kurz |
Bei einer einarmigen Studie erhalten alle Teilnehmenden die experimentelle Behandlung. Solche Studien spielen insbesondere bei seltenen Erkrankungen eine Rolle, wenn nur sehr wenige Betroffene für eine klinische Studie zur Verfügung stehen. / Foto: Adobe Stock/Zerbor
In dem Reflexionspapier der EMA geht es unter anderem um einarmige Studien. Bei solchen gibt es nur eine Behandlungs-, aber keine Kontrollgruppe. Insbesondere im Bereich der seltenen Erkrankungen erhält die EMA teils Zulassungsanträge mit klinischen Daten aus solchen Studien, da herkömmliche randomisiert-kontrollierte Studien aufgrund der geringen Zahl der Erkrankten schwer umsetzbar sind.
Nun hat das IQWiG dieses Reflexionspapier kritisch kommentiert, da ihm die dort getroffenen Aussagen nicht weit genug gehen. Zwar stelle die EMA in ihrem Papier völlig richtig fest, dass Studien ohne Vergleichsarm mit Verzerrungen einhergehen und kausale Effekte auf dieser Basis im Allgemeinen kaum abgeschätzt werden können. Aber sie nenne keine klaren Kriterien zur Begrenzung der Zulassung auf Basis solcher Studien auf äußerst seltene Ausnahmesituationen, konstatiert das IQWiG.
Dem IQWiG zufolge sollte sich die EMA ein Beispiel an der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA nehmen. Diese habe in einem im Februar veröffentlichten Leitfaden eine klare Empfehlung für externe Kontrollen ausgesprochen. »Die FDA sagt klipp und klar, dass die Chancen, nur mit einer externen Kontrolle die Wirksamkeit eines Arzneimittels nachzuweisen, nicht gut stehen, und rät nachdrücklich zu einem Studiendesign mit interner Kontrolle – auch für seltene Erkrankungen«, erklärt Dr. Beate Wieseler, Leiterin des IQWiG-Ressorts Arzneimittelbewertung. Die FDA benenne auch konkrete Situationen, in denen extern kontrollierte Studien generell ungeeignet sind, zum Beispiel, wenn der natürliche Verlauf einer Krankheit nicht hinreichend bekannt ist oder stark variieren kann.
Das IQWiG räumt ein, dass einarmige Studien in seltenen Fällen die Sicherheit und Wirksamkeit eines neuen Wirkstoffs zwar gut genug belegen können, um von Regulierungsbehörden eine Marktzulassung zu erhalten. Gehe es aber um den tatsächlichen Einsatz in der Praxis, müsse der Wirkstoff mit bereits verfügbaren Behandlungsoptionen verglichen werden – und zwar möglichst bald, betont das IQWiG.
Effizient sei Arzneimittelentwicklung dann, wenn neue Wirkstoffe sofort adäquat in der Versorgung eingesetzt werden können. Das IQWiG empfiehlt, von Anfang an auf Studien zu setzen, die sowohl für die Zulassung als auch für die Einordnung in die Versorgungslandschaft mittels eines Health Technology Assessments (HTA) geeignet sind. Ein HTA ist ein Bewertungsverfahren, das eine neue Therapieoption darauf untersucht, wie sicher, effektiv und kosteneffizient sie ist und ob sie einen Mehrwert zu bereits etablierten Behandlungen liefert.
»Indem die EMA öffentlich über die Möglichkeiten und Begrenzungen einarmiger Zulassungsstudien sinniert, ohne aus deren Nachteilen Konsequenzen zu ziehen, erweist sie sowohl den Herstellern als auch den Patientinnen und Patienten einen Bärendienst«, sagt Wieseler.