Ein Medikament bei Magersucht am Horizont |
Sven Siebenand |
11.07.2024 11:30 Uhr |
Gestörtes Selbstbild: An Anorexia nervosa erkrankte Menschen sind in der Regel deutlich untergewichtig, sehen sich selbst aber als zu dick und unförmig an. / Foto: Adobe Stock/Pixel-Shot
An Anorexia nervosa (Magersucht) erkrankte Menschen sind in der Regel deutlich untergewichtig, halten sich selbst aber für zu dick und unförmig. Um abzunehmen, halten sie strenge Ernährungsregeln ein. Zudem sind exzessiver Sport, das Auslösen von Erbrechen nach Nahrungsaufnahme oder auch die Einnahme von Laxanzien oder Diuretika häufig. Die Mortalitätsrate liegt höher als bei Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen. Rund ein Zehntel der Betroffenen verstirbt innerhalb von zehn Jahren.
In »Nature Communications« berichtet ein Team um Dr. Mathieu Favier von der McGill University in Montreal, Kanada, nun von einem interessanten Forschungserfolg. Bei Tierversuchen mit Mäusen entdeckten die Forschenden, dass ein Mangel des Neurotransmitters Acetylcholin im Corpus striatum, einem Bereich des Gehirns, der mit dem Belohnungssystem in Verbindung steht, zu einer übermäßigen Gewohnheitsbildung führen und das zwanghafte Hungern auslösen kann, das bei Menschen mit Anorexia nervosa auftritt.
In einer Pressemitteilung der Universität informiert der Seniorautor der Publikation, Professor Dr. Salah El Mestikawy, dass man anschließend beschlossen hat, zu prüfen, ob die Einnahme des bei Morbus Alzheimer zugelassenen Wirkstoffs Donepezil eine Wirkung bei Anorexia nervosa hat. Die Rationale dahinter: Donepezil ist ein Acetylcholinesterasehemmer, der den Acetylcholin-Spiegel im Gehirn erhöht.
Dem Psychiater zufolge konnte Donepezil das anorexieähnliche Verhalten bei Mäusen vollständig umkehren. Er glaubt, dass der Wirkstoff die erste auf den Pathomechanismus abzielende Behandlung bei Anorexia nervosa werden könnte. Erste Erfahrungen mit Donepezil bei einigen Patienten mit dieser Krankheit gebe es bereits.
Die Universität führt Untersuchungen mit Donepezil bei zehn Patientinnen mit schwerer Anorexia nervosa an, die mit niedrigen Dosen von Donepezil behandelt werden. Drei der Patientinnen seien vollständig geheilt und bei den anderen sieben Patientinnen sei eine deutliche Verbesserung der Krankheit zu beobachten. Natürlich reichen diese ersten Erkenntnisse nicht aus, um weitere Aussagen zu Donepezil bei Anorexia nervosa treffen zu können. Doppelblindstudien, in denen Donepezil mit Placebo verglichen werden soll, sollen noch in diesem Jahr an mehreren Standorten starten.
Ferner, so El Mestikawy, arbeite man gemeinsam mit anderen Forschungsgruppen daran, weitere Arzneistoffkandidaten zu entwickeln, die anders als Donepezil zum Beispiel weniger gastrointestinale und muskuläre Nebenwirkungen hervorrufen.