Ein Kinasehemmer im Pulverinhalator |
Sven Siebenand |
07.08.2024 17:11 Uhr |
Der Kinasehemmer Seralutinib soll bei pulmonaler arterieller Hypertonie als Pulverinhalation zum Einsatz kommen. / Foto: Adobe Stock/grigvovan (Symbolbild)
Die pulmonale arterielle Hypertonie (PAH) ist eine seltene, fortschreitende und lebensbedrohliche Erkrankung, bei der sich die Arterienwände in der Lunge verdicken und die Gefäße verengen, was den Blutfluss erschwert und den Druck in den Lungenarterien erhöht. Die Betroffenen leiden unter Atembeschwerden, die sie in ihrer körperlichen Aktivität stark einschränken. Unbehandelt kann PAH zu Herzversagen und anderen schwerwiegenden Komplikationen führen.
In den vergangenen Jahren haben sich die Behandlungsmöglichkeiten bei PAH deutlich verbessert, die Langzeitprognose ist allerdings nach wie vor schlecht. Daher wird weiter an neuen Therapieoptionen gearbeitet. Kürzlich empfahl die Europäische Arzneimittelagentur (EMA), den Wirkstoff Sotatercept bei PAH zuzulassen. Es wäre der erste Vertreter aus der Klasse der Aktivin-Signalweg-Inhibitoren.
In Phase III der klinischen Entwicklung bei PAH befindet sich der Kinasehemmer Seralutinib. Auch dieser Arzneistoff weist ein neues Wirkprinzip auf. Dazu muss man wissen, dass die Aktivierung der Thrombozytenwachstumsfaktor-Rezeptoren α und β (PDGFR- α und -β), des Kolonie-stimulierenden Faktor-1-Rezeptors (CSF-1-R) und des Stammzellfaktor-Rezeptors (c-KIT) entzündliche, proliferative und fibrotische Signalwege stimuliert, die den pulmonalen Gefäßumbau bei PAH vorantreiben.
Alle diese Rezeptor-Tyrosinkinasen werden von Seralutinib mit hoher Potenz gehemmt, was den Einsatz als mögliches PAH-Medikament erklärt. Für einen Arzneistoffkandidaten, der nach Inhalation in der Lunge wirken soll, ist zudem von Vorteil, dass Seralutinib eine hydrophobe Substanz ist. Der Kinasehemmer wird mithilfe eines Trockenpulverinhalators verabreicht.
Im Fachjournal »Lancet Respiratory Medicine« wurden nun die Ergebnisse der randomisierten und doppelblinden Phase-II-Studie TORREY zur Wirksamkeit und Sicherheit von Seralutinib bei PAH-Patienten publiziert. Zusätzlich zu einer PAH-Standardtherapie inhalierten 44 Personen im Verumarm der Studie über 24 Wochen zweimal täglich Seralutinib (in den ersten beiden Wochen 60 mg zweimal täglich, danach bei Verträglichkeit 90 mg zweimal täglich). 42 Teilnehmende bildeten die Kontrollgruppe. Sie inhalierten als Add-on zu ihrer Standardtherapie zweimal täglich ein Placebo. Der primäre Endpunkt war die Veränderung des pulmonalen Gefäßwiderstands (PVR) von Studienbeginn bis Woche 24.
Die mittlere PVR-Veränderung nach 24 Wochen betrug unter Placebo +21,2 dyn x sec x cm-5, während die Veränderung in der Seralutinib-Gruppe bei –74,9 dyn x sec x cm-5 lag. Seralutinib reduzierte den Gefäßwiderstand damit statistisch signifikant. In einer Pressemitteilung weist der Lungeninformationsdienst darauf hin, dass sich bei Menschen mit schwereren Lungenhochdruck-Symptomen die Werte sogar deutlicher verbesserten als bei weniger stark beeinträchtigten Personen. Die Forschenden zögen daher den Schluss, dass Seralutinib gerade bei fortgeschrittener Erkrankung eine Verbesserung bringen könnte.
Die häufigste Nebenwirkung sowohl in der Seralutinib- als auch in der Placebogruppe war Husten. Bei einem Teil der Teilnehmer verschlechterten sich die Leberenzymwerte unter Seralutinib. Im Verumarm betrug die Abbruchrate aufgrund von Nebenwirkungen 14 Prozent, während sie unter Placebo nur 2 Prozent betrug.
Auch auf diesen Unterschied wird man in einer größeren Phase-III-Studie, der PROSERA-Studie, zu achten haben. Diese hat das Pharmaunternehmen Gossamer Bio Ende 2023 gestartet und sie soll im Herbst 2025 abgeschlossen werden.