Ein guter Jahrgang |
Annette Rößler |
30.05.2025 14:00 Uhr |
Die Forschungs- und Entwicklungsbemühungen der Pharmahersteller waren 2024 in 39 Fällen von Erfolg gekrönt: So viele neue Arzneistoffe kamen in diesem Jahr in der EU auf den Markt. / © Adobe Stock/Cavan
Unter den insgesamt 39 Arzneistoffen, die 2024 neu auf den europäischen Markt gekommen sind, waren lediglich sieben Analogpräparate. Der Rest teilt sich zu etwa gleichen Teilen auf die Kategorien Schrittinnovation (15 Arzneistoffe) und Sprunginnovation (17 Arzneistoffe) auf. »Man kann also sagen, dass 2024 ein guter Jahrgang war«, sagte Siebenand, der im Folgenden auf einige dieser Sprunginnovationen detaillierter einging.
Den Anfang machte der selektive Neurokinin-3-Rezeptorantagonist Fezolinetant (Veoza™, Astellas Pharma). Es ist die erste verfügbare nicht hormonelle Therapieoption zur Behandlung von vasomotorischen Symptomen (VMS) bei Frauen in den Wechseljahren. In den zulassungsrelevanten Phase-III-Studien SKYLIGHT 1 und 2 war Fezolinetant in der Dosis 45 mg täglich Placebo bezüglich der Linderung von VMS signifikant überlegen. »Was wir allerdings noch nicht haben, ist ein direkter Vergleich von Fezolinetant mit der Hormonersatztherapie«, merkte Siebenand an. Letztere führe in der Regel zuverlässig zu einer Linderung von VMS.
Ebenfalls sehr wünschenswert, aber noch nicht vorhanden seien Daten zur Wirkung von Fezolinetant bei Frauen mit Estrogenrezeptor-positivem Brustkrebs, die eine antihormonelle Therapie erhalten. Diese Patientinnen können massive VMS entwickeln, kommen für eine HRT aber nicht infrage, weshalb sie geradezu prädestiniert für die Gabe von Fezolinetant wären. Von den SKYLIGHT-Studien waren diese Patientinnen allerdings ausgeschlossen. Laut Siebenand läuft zurzeit die Phase-III-Studie HIGHLIGHT 1 mit diesem Patientinnenkollektiv. Die Firma Bayer strebe für ihren Fezolinetant-Konkurrenten Elinzanetant von vorneherein die Zulassung in beiden Kollektiven an.
Es gibt allerdings ein Caveat, das Fezolinetant und möglicherweise auch andere Vertreter dieser Wirkstoffklasse betrifft: eine potenzielle Lebertoxizität. Auf diese hat gerade ein Rote-Hand-Brief hingewiesen. Regelmäßige Leberfunktionstests sind für behandelte Frauen nun Pflicht. Man wird sehen, ob damit die Sicherheit während der Anwendung soweit gewährleistet werden kann, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis weiter positiv bleibt.
Ein für die topische Anwendung zugelassener Hemmstoff von Januskinasen (JAK) ist Delgocitinib. Der Handelsname Anzupgo® sei englisch auszusprechen – also ungefähr Änzapgo –, informierte Siebenand: »Laut Herstellerangaben soll das so ähnlich klingen wie ›Hands up and go‹.« Da die Delgocitinib-Creme bei chronischem Handekzem angewendet wird, ist das nachvollziehbar. Fraglich ist nur, ob es sich auch im deutschsprachigen Raum ohne Weiteres erschließt.
Als pan-JAK-Inhibitor hemmt Delgocitinib den JAK-STAT-Signalweg, der bei vielen entzündlichen Erkrankungen eine Schlüsselrolle spielt. Anzupgo ist zweimal täglich dünn aufzutragen, bis die Haut erscheinungsfrei oder fast erscheinungsfrei ist. »Die systemische Exposition ist bei topischer Anwendung minimal«, berichtete der Apotheker. Das Sicherheitsprofil habe sich in den zulassungsrelevanten Phase-III-Studien DELTA-1 und -2 auf Placeboniveau bewegt. Siebenand wies allerdings darauf hin, dass unter topischer Therapie mit dem JAK-Inhibitoren sehr selten Basalzellkarzinome aufgetreten seien. »Das hat man unter Delgocitinib bisher nicht gesehen, aber es könnte ein Klasseneffekt sein.«
Ebenfalls englisch auszusprechen ist Awiqli®. Das Präparat enthält mit Insulin icodec ein Ultralangzeit-Insulin. Modifikationen des Insulin-Moleküls sowie dessen Kopplung über einen Spacer an eine Fettsäure bewirken eine extreme Verlängerung der Halbwertszeit. Insulin icodec wird nach subkutaner Injektion an Albumin gebunden, also nicht im Fettgewebe gespeichert. Es muss nur einmal wöchentlich – once weekly – verabreicht werden. Wie Siebenand im Anschluss an seinen Vortrag bekanntgab, hat Insulin icodec den 31. PZ-Innovationspreis erhalten.
Wer erhält den PZ-Innovationspreis 2025? Chefredakteur Sven Siebenand machte es spannend. / © PZ/Alois Müller