Ein Ausgabenmoratorium ist nicht genug |
Lukas Brockfeld |
08.09.2025 13:00 Uhr |
Die alternde Bevölkerung sorgt für steigende Gesundheitsausgaben. / © Getty Images/FredFroese
Die Gesetzliche Krankenversicherung steht unter erheblichem Druck. Die Alterung der Bevölkerung und die steigenden Behandlungskosten sorgen für immer höhere Ausgaben der Krankenkassen. Allein im vergangenen Jahr fehlten der GKV mehr als sechs Milliarden Euro. Zum Jahreswechsel haben daher die meisten Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge deutlich erhöht. Das hat die Lage kurzfristig entspannt. Im ersten Quartal verzeichnete die GKV wieder einen deutlichen Überschuss.
Doch schon im kommenden Jahr wird mit einem neuen Milliardenloch gerechnet. Allein im ersten Halbjahr 2025 stiegen die Ausgaben der Krankenkassen um 8 Prozent. »Solche Steigerungsraten hält kein Gesundheitssystem der Welt auf Dauer aus«, erklärte der Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Oliver Blatt. Es gibt daher viele Vorschläge für eine Reform des GKV-Systems. Die Kassen selbst haben immer wieder ein Ausgabenmoratorium gefordert. Die Ausgaben der GKV sollen künftig nicht mehr schneller wachsen als die tatsächlichen Einnahmen der Krankenkassen.
Doch eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt jetzt, dass ein solches Moratorium nicht zur Stabilisierung der Finanzen ausreichen dürfte. Der Studienautor Jochen Pimpertz betont, dass das explosive Ausgabenwachstum der Kassen ein Umdenken erfordere. Künftige Reformen müssten bei der Entstehung der steigenden Ausgaben ansetzen. Die Gesundheitspolitik brauche nach Einschätzung des Ökonomen einen »Strategiewechsel weg von einer ausgabenorientierten Einnahmenpolitik hin zu einer einnahmenorientierten Ausgabenpolitik«.
Doch ein Ausgabenmoratorium reiche nicht für einen nachhaltigen Strategiewechsel aus. Die Kopplung der GKV-Ausgaben an die Einnahmen verschleiere, dass es zusätzlicher Anstrengungen bedürfe, um die Krankenkassenbeiträge auch nur über die aktuelle Legislaturperiode zu stabilisieren.
Der Ökonom macht dafür die Alterung der GKV-Gemeinschaft verantwortlich, die schon in dieser Legislaturperiode deutlich zu spüren sein werde. Die steigende Zahl der Versicherten in den ausgabeintensiven älteren Jahrgängen werde bei einem gleichbleibenden Leistungsniveau zwangsläufig zu jährlich steigenden Ausgaben führen. »Um diesen Einfluss auf die Ausgabenentstehung neutralisieren zu können, ist es notwendig, dass die Ausgaben pro Kopf jährlich um einen Abschlag von 0,4 Prozentpunkten hinter der Wachstumsrate der beitragspflichtigen Einnahmen zurückbleiben«, so Pimpertz in seinem Fazit.
Aktuell prüft die Bundesregierung, wie Maßnahmen zur Ausgabenreduzierung aussehen könnten. Eine Expertenkommission soll im kommenden Jahr tiefgreifende Maßnahmen vorstellen, die ab 2027 ihre Wirkung entfalten. Ursprünglich sollten die Vorschläge in Ruhe bis 2027 erarbeitet werden. Doch angesichts der stark steigenden Gesundheitsausgaben hat Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) einen strafferen Zeitplan angeordnet. Konkrete Reformvorschläge konnte die schwarz-rote Koalition bisher allerdings noch nicht liefern.