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Sterben im Hospiz 

»Eigentlich ist das Hospiz ein Ort, wo man das Leben feiert« 

Wie kann Sterben würdevoll und individuell gelingen? Im Berliner Hospiz Ipek finden schwerkranke Menschen Zeit, Nähe und Raum für ihre letzten Wünsche – in einem geschützten, kreativen Umfeld, das den Tod als Teil des Lebens versteht.
Paulina Kamm
03.09.2025  16:20 Uhr

Die Vögel zwitschern, es riecht nach frischem Regen und hausgemachtem Mittagessen. Man spürt regelrecht, wie sich der eigene Puls verlangsamt, ein Gefühl von Entspannung und Friedlichkeit macht sich breit. Im Hospiz Ipek im grünen Berliner Randbezirk Mahlow wartet Pflegedienstleitung Melisa Kalayci. 

Die Menschen kommen hierher, um zu sterben. Therapeutisch kann ihnen nicht mehr geholfen werden. Doch das Hospizpersonal setzt laut Kalayci alles daran, die letzten Tage würdevoll, wertschätzend und kreativ zu gestalten. »Ich kann die Zeit nicht verlängern, aber ich kann ihr Tiefe schenken«, erklärt Kalayci.

Das Angebot reicht von tiergestützten Aktivitäten – sogar ein Pony läuft über das Gelände – bis hin Hochzeiten im Hospiz. Falls die Bewohnerinnen und Bewohner einen Ausflug machen möchten, steht ein hauseigener Wagen zur Verfügung, der vor Jahren einen Patienten auf Wunsch sogar liegend zur Ostsee transportiert hat. Hertha-Spiel, Schlagerpartys, Grillfeste, Fotoshootings, nächtliche Maniküren – den Ideen sind keine Grenzen gesetzt. »Eigentlich ist das Hospiz ein Ort, wo man das Leben feiert«, so Kalayci – und die Erfüllung letzter Wünsche ist ihr eine Herzensangelegenheit. 

Die Kostenfrage belastet

Nare Yesilyurt gründete das Hospiz gemeinsam mit ihren Geschwistern zum Gedenken ihrer Mutter, die mit 42 Jahren an den Folgen eines Verkehrsunfalls verstarb. Die Familie habe damals keine Möglichkeit für einen liebevollen Abschied gehabt. Dies zu ermöglichen war die Inspiration für die Gründung des ersten kulturspezifischen Hospizes in Deutschland, wo weder Herkunft, Aussehen noch Glaube der Bewohnenden eine Rolle spielt. Die Menschen sollen hier auf Wunsch möglichst nach ihren persönlichen weltlichen und religiösen Traditionen versorgt werden. Da die Mitarbeitenden des Hospiz Ipek eine möglichst individuelle Begleitung anbieten möchten, beginnt der Aufenthalt mit einem dreitägigen Aufnahmeprozess. 

Zum Start gab es Anfeindungen: Fenster wurden eingeworfen und die Wände mit Hakenkreuzen beschmiert. Yesilyurt ließ sich nicht abbringen, mittlerweile gibt es das Hospiz seit sechs Jahren. Auf insgesamt 17.000 Quadratmetern bewaldetem Grundstück stehen die beiden miteinander verbundenen Gebäude. Im Altbau befinden sich alle für die Versorgung nötigen Funktionsräume, der Gebäudeflügel mit den Gästezimmern wurde neu errichtet. Jedes der Einzelzimmer hat Zugang zu einer Terrasse. Zu den Gemeinschaftsräumen zählt ein Wintergarten mit Kamin. Das Fachpersonal wird von Ehrenamtlichen unterstützt.

Die Kosten der Hospizversorgung werden zu 95 Prozent von der Kranken- und Pflegeversicherung gedeckt. Die restlichen 5 Prozent werden durch Spenden finanziert. Das Hospiz veranstaltet Spendenaktionen wie das Eisbaden Anfang des Jahres oder einen Spendenlauf. Aktuell läuft eine Sammelaktion für ein Tageshospiz auf GoFundMe

Eine wiederkehrende Belastung: Die Finanzierung durch die Kassen sei oft nur monateweise geregelt, moniert Kalayci. Dies löse bei den Bewohnerinnen und Bewohnern oft Unbehagen aus: »Und dann guckt mich die Bewohnerin an und fragt: Was ist, wenn ich bis dahin nicht gestorben bin?« Eine Zwischeninstanz fehle hier, wo Menschen Platz finden, die zu gesund für das Hospiz, aber zu krank sind, um alleine zuhause zurecht zu kommen, so Kalayci. Heime seien aufgrund der hohen monatlichen Kosten für viele Menschen keine Option.

»Die schwerste Aufgabe für mich ist, wenn ich die Wartelisten durchtelefoniere und von den 60 Leuten schon 50 tot sind und mir die Angehörigen weinend erzählen, wie schlimm es zu Hause gelaufen ist«, berichtet Kalayci. Dabei betont sie, dass die ambulanten Pflegedienste die Menschen so gut wie möglich begleiten. Doch ab einem bestimmten Punkt reichen kurze Besuche am Tag nicht mehr aus, dann braucht es intensivere Begleitung. Der vorherrschende Personalmangel bei den ambulanten Pflegediensten komme erschwerend hinzu. 

Schwierigkeiten im Hospizalltag 

Die Arbeit im Hospiz birgt Herausforderungen im Alltag. »Viele Fachkräfte haben besondere Schwierigkeiten, wenn es um Gleichaltrige oder Jüngere geht«, so Kalayci. Der Umgang mit Kindern falle den Mitarbeitenden trotz der täglichen Routine schwer.

Auch die Besucherinnen und Besucher haben häufig Vorbehalte, ihre Kinder mit dem Tod eines Angehörigen zu konfrontieren. Kalayci rät, Kinder altersgerecht einzubeziehen und zu begleiten. Probleme entstünden erst, wenn gelogen, außen vor gelassen und offene Kommunikation vermieden wird. »Kinder trauern in Pfützen«, so Kalaycis Erfahrung. Sie springen in eine tiefe Traurigkeit, kommen dort aber durch den Alltag auch schnell wieder heraus.

Selbst Alltag und Routine schützte das Personal nicht völlig vor der emotional und psychisch fordernden Arbeit. Kalayci betont, welche essenzielle Rolle eine gut funktionierende und offene Teamdynamik spielen. Die Trauerfälle werden im Team via monatlicher Supervision verarbeitet. Für Härtefälle kann es zusätzliche Gespräche geben.

Und dann gibt es Differenzen mit Gästinnen und Gästen. Sogar einen Gast mit Hakenkreuz-Tattoo habe sie gepflegt. Denn für sie gelte nicht, wer die Person einmal war, sondern wer sie jetzt ist. Für eine individuelle, vertrauensbasierte Versorgung sei eine persönliche Beziehungsebene mit den Betroffenen unabdingbar. Gleichzeitig steht der Schutz der Mitarbeitenden für Kalayci an erster Stelle.

Medikamente und Pharmazie im Hospiz 

Atemnot und Schmerz sind die Hauptsymptome, die den Betroffenen medikamentös genommen werden können. Ein schmerzfreies und entspanntes Gehen zu ermöglichen, stellen Kalayci und ihr Team in den Vordergrund. Morphin ist hier das Mittel der Wahl, obwohl die Angst vor einer Abhängigkeit Thema bei den Bewohnenden ist. Es gilt, die Betroffenen ernst zu nehmen und ausführlich zu beraten. Zusätzlich werden auch nicht opioide Analgetika wie Metamizol und Paracetamol verabreicht. 

Bei Unruhe und Angst am Lebensende kommt regelmäßig Midazolam zum Einsatz. Kalayci berichtet aber auch von besonderen Anwendungsfällen: Haloperidol wird im Hospiz beispielsweise off Label gegen Übelkeit und Erbrechen verabreicht, Buscopan helfe gegen die Schleimsekretion. Gegen die häufig auftretende Inappetenz seien CBD-Öle das Mittel der Wahl. Dexamethason helfe gegen erhöhten Hirndruck und mit Laxanzien versuche man, durch Opioide verursachte Obstipationen vorzubeugen. Schmerzpumpen fänden hier oft Verwendung, um die etwaige Mobilität der Betroffenen zu wahren. 

Die Zusammenarbeit mit ihrer Stammapotheke sei sehr eng, betont Kalayci. Feste Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sind ihr wichtig. Neben den vereinbarten Bestelltagen besteht immer die Möglichkeit einer Eillieferung im Akutfall. Auch die fertig gemischten Schmerzpumpen werden dort laut Kalayci geordert. Von Engpässen seien sie bisher nur mit Buscopan, Metamizol und Inhalatoren betroffen gewesen. Die Apotheke weise sie dann allerdings auf mögliche Alternativen hin.

Der »Letzte-Hilfe-Kurs«

Für viele Menschen ist der Tod ein Tabuthema, was Sterbende laut Kalayci schnell in eine Art Isolation manövrieren kann. Der »Letzte-Hilfe-Kurs« von Letzte Hilfe Deutschland soll Laien und Fachkräften verschiedener Professionen das Thema in vier Modulen näher bringen. Der Kurs wird an verschiedenen Standorten angeboten – so auch im Hospiz Ipek. Denn selbst Krankenhauspersonal, das sonst mit Leben retten beschäftigt sei, komme beim Tod an seine Grenzen. Die Projektion der eigenen Angst und gefährliches Halbwissen erschweren die Begleitung zusätzlich. 

»Aushalten und Hinhören«, reiche laut der Pflegedienstleitung meistens schon. Der Mensch müsse in der Sterbebegleitung den natürlichen inneren Problemlösedrang ersticken, denn die Krankheit und das Sterben seien unausweichlich, nur das Wie gehöre zum Wirkungskreis. Generell wünsche sich Kalayci, dass der Hospizsektor mehr in den Diskurs der Gesundheitsversorgung integriert wird, um einerseits mehr in die Versorgungsgestaltung einbezogen zu werden und andererseits das Thema Tod zu enttabuisieren. 

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