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Gesundheitswesen
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Effizienter mit KI

Wenn sich nichts ändert, wird das deutsche Gesundheitswesen schon bald nicht mehr finanzierbar sein. Davon ist Professor Dr. Mark Dominik Alscher, Geschäftsführer des Robert Bosch Krankenhauses (RBK) in Stuttgart, überzeugt. Vorhandene Ressourcen effizienter einzusetzen, könne mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) gelingen.
AutorKontaktAnnette Rößler
Datum 19.12.2025  16:20 Uhr

»Wir haben im Moment ein Gesundheitswesen, das volkswirtschaftlich kaum mehr finanzierbar ist«, sagte Alscher bei der Pharmazeutischen Tafelrunde der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg am 16. Dezember in Stuttgart. 12,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes seien zuletzt auf das Gesundheitswesen entfallen. Bis in zehn Jahren sei eine Kostensteigerung zu erwarten, bei der »der Produktionsstandort Deutschland nicht mehr abbildbar ist«. Bereits jetzt sei zu beobachten, dass Betriebe wegen der hohen Kosten abwandern.

Im Gesundheitswesen schlage der demografische Wandel doppelt zu: Es gebe immer weniger ausgebildete Fachkräfte bei gleichzeitig steigender Inanspruchnahme. Weitere Kostentreiber seien eine generell hohe Inanspruchnahme (Stichwort: häufige Arztbesuche) sowie eine Überspezialisierung und ein ungerichteter Zugang zu diesen Spezialisten. »Früher hatten wir einmal einen Wettbewerb der Leistungserbringer um Patienten. Heute hat sich das umgekehrt.«

Rollenverteilung überdenken

Man müsse sich deshalb überlegen, wie die vorhandenen Ressourcen möglichst klug und effizient eingesetzt werden können. »Dazu zählt auch, die heilberuflichen Rollen neu zu verteilen«, sagte der Internist. »Wir werden auf Dauer alle Positionen brauchen für eine gute Versorgung.«

Am Bosch Health Campus setze man dafür stark auf die Digitalisierung – und künstliche Intelligenz (KI). Ein Beispiel: die KI-gestützte Informationsextraktion aus papier- und PDF-basierten Dokumenten. »Früher hat man als Arzt stundenlang damit zugebracht, Befunde zu lesen, um die relevanten Informationen zu einem Patienten zusammenzusuchen. Das lässt sich mit unserem System stark beschleunigen.« Durch die Effizienzsteigerung würden die Mitarbeitenden entlastet und hätten mehr Zeit für die direkte zwischenmenschliche Interaktion.

Wer gar nicht erst erkrankt, entlastet das Gesundheitswesen sozusagen maximal, indem er es gar nicht erst in Anspruch nimmt. »Wir müssen auch die Prävention deutlich mehr in den Vordergrund nehmen«, sagte Alscher. Es müsse bereits in den Schulen eine bessere Gesundheitsbildung vermittelt werden. Denn die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung sei laut Umfragen nicht gut.

Gesundheitskompetenz aus der Apotheke

Besonders Menschen mit niedrigem Sozialstatus, finanzieller Deprivation, niedriger Bildung sowie ab 65 Jahren falle es schwer, sich im Gesundheitswesen zurechtzufinden. Diese sogenannte navigationale Gesundheitskompetenz sei aber entscheidend für eine gute Versorgung. Hier könnten Apotheken als niedrigschwellige Anlaufstelle einen wichtigen Beitrag leisten.

»Wir müssen besser in die Lebenswelten der Menschen kommen«, betonte Alscher. Das könne etwa durch eine Community Health Nurse geschehen oder auch mit digitalen Angeboten. Ein solches hat der Bosch Health Campus zusammen mit der Berliner Charité und dem Karolinska Institut in Stockholm entwickelt: www.sundi.eu. Die Website stellt Informationen zu medizinischen Themen bereit, spricht anhand der Ergebnisse eines Selbsttests Empfehlungen zu einer guten Schlafhygiene aus und bietet für registrierte Nutzer eine Erinnerungsfunktion, um zu mehr Bewegung im Alltag zu motivieren.

»Wir stehen im Gesundheitswesen vor einer Disruption, die wir aktiv gestalten müssen«, fasste der Referent zusammen. Notwendig sei nichts weniger als eine Neuausrichtung des Systems. Heilberufler hätten die Chance, diesen Umbruch mit den Möglichkeiten der Digitalisierung proaktiv zu gestalten. »Wenn das gelingt, haben wir tolle Zeiten vor uns«, lautete sein positives Schlusswort.

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