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Nahkampf

02.12.1996  00:00 Uhr

- Editorial

  Govi-Verlag

Nahkampf

  Ein Bayer würde mit schmerzlichem Gesicht von "Gschaftlhuberei" sprechen. Der Preuße würde mit griesgrämigem Ausdruck höchstwahrscheinlich einige Aktenordner füllen. Und ein Sizilianer würde bei der Camorra nachfragen, ob man das Problem nicht auf ganz natürliche Weise erledigen könnte. Gemeint sind die Berge von Papieren und Stellungnahmen und gegenseitigen Beschimpfungen, die sich im "vorpolitischen" Raum als Reaktion auf den Entwurf des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes ereignen. Die meisten Beteiligten versuchen sich nicht mehr mit kritischer Würdigung an den Gesetzentwürfen - das schließt auch eine Ablehnung ein. Sondern es findet ein echter Nahkampf statt: Organisation gegen Organisation. Eine Standortbestimmung ist offensichtlich nicht mehr möglich. Herausragende Beispiele sind drei in der letzten Woche bekanntgewordene (Un-)Taten.

Erstes Beispiel: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung versucht den Doppel-Jodler. Einerseits werden durch Notprogramme und Listen die Vertragsärzte massiv angehalten, weniger Arzneimittel zu verschreiben. Andererseits vergießt sie in einem Schreiben an Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer Krokodilstränen; das Wissenschaftliche Institut der Ortskrankenkassen (WIdO) habe ihr nicht eine indikationsbezogene Liste mit Präparatenamen über die umstrittenen Arzneimittel geschickt. Einmal, weil es die noch gar nicht gibt - wobei zu fragen ist, warum die Krankenkassen dann seit Jahren Einsparungen von sieben Milliarden DM herbeizaubern wollen. Außerdem dürfe diese Liste nach WIdO-Angaben aus Haftungsgründen, wobei die Apothekerschaft diese Aussage stütze, nur intern verwendet werden. Obwohl, so schreiben die Ärztevertreter, man mit dieser Liste nachweisen könne, daß viele umstrittene Arzneien gar nicht mehr so umstritten sind. Ja, warum dann die unsägliche Einflußnahme auf den verordnenden Arzt?

Das zweite Ereignis fand intern statt. Vertreter der GKV-Spitzenverbände und der KBV berieten ein geheim gehaltenes Papier über mögliche Kosteneinsparungen bei anderen Leistungserbringern. 11,5 Milliarden DM sollten eingespart werden. Als dem Beratungsgremium die Einsparunterlagen doch zu heiß wurden, weil vor allem die Ärzte so nicht im Leistungskatalog und bei den Vertragsbeziehungen wildern wollten, zog man sich mit dem Versprechen zurück, die Unterlagen zu vernichten. Offensichtlich ging es doch nicht schnell genug.

Der dritte Streich war dann ein Gegenentwurf zum Gesetzentwurf der Regierung durch die Verbände der Krankenkassen - eine Retourkutsche für die Ärzteschaft, die bei dem internen ersten Papier nicht mitziehen wollte. Nun sollen auch die Ärzte kräftig zur Ader gelassen werden. Eine Heilmethode aus dem Mittelalter, an die viele glaubten, die aber wenig erfolgversprechend war. Als pragmatische Alternative bezeichnete Martin Pfaff von der SPD-Bundestagsfraktion das Formel-1-Rennpapier der Kassen; für Wolfgang Lohmann von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist es ein Wegweiser für den Krankenkassenstaat.

Mittwoch fand dann die Anhörung aller Beteiligten zum 2. GKV-Neuordnungsgesetz statt. Deutlich wurde, daß die Regierungskoalition daran festhält, den Krankenkassen die von diesen ungeliebte Entscheidungs- und Verantwortungskompetenz bei Gestaltungsleistungen, zu überlassen. Der Preuße kann seine Akten wieder einstampfen, der Bayer braucht nicht mehr zu granteln. Und die Camorra hat nun auch nichts mehr zu sagen.

Rainer Vollmer, Bonn

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