Editorial
von Gisela Stieve,
stellvertretende Chefredakteurin
der Pharmazeutischen Zeitung
Es ist ruhig in diesen Herbsttagen nach dem Deutschen Apothekertag. Von
Düsseldorf gingen Appelle und Absichtserklärungen, Vorhaben und Visionen aus.
Die durchaus zukunftsorientierten Botschaften waren jedoch manchen Beobachtern
nicht spektakulär genug, erschienen ihnen zu nichtig, weil unmittelbarer Eigennutzen
nicht sofort abgeschöpft werden kann.
Die Ruhe täuscht. Von all den bekannten, permanenten Attacken der
Krankenkassen auf das Apothekensystem abgesehen hat der
Bundesgesundheitsminister ein Konzept zur Sanierung der Ostkassen vorgelegt.
Danach sollen ab 1999 Zahlungen von bis zu 1,5 Milliarden DM als
gesamtdeutscher Risikostrukturausgleich vom Westen in den Osten fließen.
Zusätzlich soll eisern gespart werden - vor allem bei den Ausgaben, die über denen
des Westens liegen, sprich bei Arzneimitteln, Krankenhäusern, Zahnersatz und
Fahrtkosten. Das wird alle Apotheker - im Osten und im Westen treffen.
Die Pläne des Berliner Gesundheitssenats, 16 von 28 Krankenhausapotheken zu
schließen, sind auch kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Die Berliner
Apothekerkammer sieht in diesem Vorhaben einen massiven Angriff auf den
Berufsstand. Die Bonusverträge in Berlin, Brandenburg und Hessen passen auch
nicht so recht in dieses vermeintlich friedliche Bild von der Apothekenlandschaft.
"Die hohe Kunst des Problematisierens läßt wertvolle Aufbruchstimmung in der
Paralyse enden", sagte ABDA-Präsident Hans-Günter Friese in Düsseldorf. Dem
kann ich nur zustimmen. Es gibt zu viele Leute, die mäkeln und meckern. Sie
bedauern die Lage, für die sie angeblich nicht verantwortlich sind und jammern über
das, was kommen könnte. Wen interessiert das? Die Bonner Politiker schon mal
nicht. Das hören wir jedenfalls von unseren Kollegen, die auf Landes- und
Bundesebene die Lobbyarbeit tun.
Es gibt zu wenig Leute, die sich am Gestaltungsprozeß konstruktiv beteiligen, die
mitdenken und vordenken und handeln, die ein paar Handschläge tun - nicht für
Geld, sondern für ihre Patienten und aus Überzeugung. Heilberufliches Engangement
und pharmazeutische Betreuung wissen die Patienten zu schätzen und werden die
persönliche Zuwendung mit Kundentreue belohnen. Die Spezies der aktiven
Apotheker muß nicht erst geschaffen werden. Es gibt sie. Jedoch haben viele
Apotheker in den harten Zeiten des Gesundheitsstrukturgesetzes resigniert und ihre
Potentiale vernachlässigt.
Es gibt Aufbruchstimmung, es gibt Vordenker und Visionen, die dem Berufsstand
neue Wege weisen. Natürlich erfordert es Mut und Mühe, neue Nischen zu
entdecken und zu besetzen. Dazu brauchen wir jetzt engagierte Apothekerinnen und
Apotheker. Zur Zeit scheint die Politik berechenbar zu sein. Nutzen Sie das für ihre
Kunden und ihre Apotheke. Und lassen Sie sich von der Ruhe nicht täuschen.
© 1997 GOVI-Verlag
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