Editorial
Verzichtbar
"Aufgrund der in letzter Zeit
veröffentlichten sehr einseitigen Berichterstattung in
der PZ hat die Geschäftsleitung entschieden, in der PZ
vorerst keine weiteren Anzeigen mehr zu schalten."
Das ist ein Zitat aus einem Brief der Firma kohl-pharma
aus Perl an die Anzeigenleitung des Govi-Verlags: die
Strafe, die ein Arzneimittel-Importeur der
Pharmazeutischen Zeitung auferlegt. Wir hatten über die
Änderung des § 129 des Sozialgesetzbuchs V, also über
den Wegfall der Verpflichtung des Apothekers zur Abgabe
von Importarzneimitteln, und die positive Beurteilung
durch den Vorsitzenden des Deutschen Apothekerverbandes,
Hermann Stefan Keller, berichtet.
Wir sahen und sehen es noch immer als unsere ureigenste
Pflicht an, unsere Leser darüber zu informieren. Genauso
haben wir die Berufsöffentlichkeit über die
Anstrengungen des Bundesverbandes der
Arzneimittel-Importeure in Kenntnis gesetzt, dem
Deutschen Apothekerverband per einstweiliger Verfügung
zu verbieten, öffentlich die Gesetzesänderung so zu
interpretieren, als seien die Apotheker nicht mehr
verpflichtet, Importe abzugeben. Die Importeure sind also
anderer Meinung und heizen inzwischen die Krankenkassen
an, daß die Arzneimittellieferverträge nicht geändert
werden.
Fakt bleibt aber, und damit müssen die Importeure in
Zukunft leben, daß die Apotheker per Gesetz nicht mehr
zur Abgabe von billigen Importarzneimitteln verpflichtet
sind. Was vertraglich geregelt ist, ist eine andere
Sache. Verträge können neu verhandelt werden.
Die Importeure müssen auch einsehen, daß sie politisch
verloren haben und daß das Paradies für sie mit der
Änderung des Gesetzes eingeschränkt wurde. Das war auch
die Absicht des Gesetzgebers. Er wollte mit dieser
Änderung den Wirtschaftstandort Deutschland stärken und
den Wettbewerbsvorteil abbauen, den die Importeure durch
die gesetzliche Verpflichtung der Apotheker zur Abgabe
von Importarzneimittel hatten.
Das heißt, Importeure werden sich in Zukunft dem
Wettbewerb mit den Orginalherstellern stellen müssen.
Das scheint ihnen nicht zu passen. Die einstweilige
Verfügung an die Adresse des DAV und die Stornierung der
Anzeigen in unserer Zeitung zeigen, daß sie
offensichtlich nicht die Rolle des Retters des deutschen
Gesundheitswesens spielen wollen, sondern knallharte
Geschäftsleute sind, die jeden Preisunterschied im
internationalen Markt zur eigenen Gewinnmaximierung
ausnutzen und jeden, der sie daran hindert, per
einstweiliger Verfügung zum Schweigen bringen wollen.
Das sollten auch die Krankenkassen langsam begreifen und
sich nicht weiter vor den Karren der Importeure spannen
lassen. Abgesehen davon sind die von den Krankenkassen
bei konsequenter Abgabe von Importen berechneten
Einsparungen nicht realisierbar, weil die importierten
Arzneimittel teilweise nicht in den Mengen verfügbar
sind, die eine flächendeckende Versorgung garantieren.
Für die Krankenkassen sollte aus meiner Sicht in bezug
auf die Arzneimittelversorgung ihrer Versicherten die
Qualitätssicherung im Vordergrund stehen. Ob das
deutsche Gesundheitswesen dabei auf Importarzneimittel
angewiesen ist, möchte ich bezweifeln. Wir von der PZ
können auf jeden Fall auf die Anzeigen der kohl-pharma
verzichten, denn wir lassen uns von einem Importeur
keinen Maulkorb umhängen.
Dr. Hartmut Morck
Chefredakteur
© 1996 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de